Theaterpädagogin Katrin Sasse © Britta RadikeBerufsleben

Mit Schauspielerei Probleme lösen? Das funktioniert, wenn auch anders, als Sie jetzt denken! Katrin Sasse, Theaterpädagogin aus Essen, schildert uns wie und stellt uns ihren Berufsalltag vor. Sie ist studierte Chemieingenieurin und hat zuerst jahrelang als Lehrerin gearbeitet, bevor Sie sich entschloss, Ihr Leben umzukrempeln und sich 2007 selbstständig zu machen: als Theaterpädgagogin mit Ihrem Konzept „Training mit Theater“. Mittels unterschiedlicher Theaterformen trainiert sie u.a. mit Unternehmen Themen wie interkulturelle Kommunikation oder Konfliktmanagement. Außerdem ist Katrin Sasse als Schauspielerin aktiv und organisiert interaktives Theater auf Hochzeiten. Ein tolles, neues Interview in unserer Reihe „Selbstständige, kreative Frauen“ – viel Spaß beim Lesen!


„Ich kann nur zu neuen Erkenntnissen gelangen, wenn ich meine gewohnten „Gedankenautobahnen“ verlasse – dies erfordert eine Portion Mut“

 

Können Sie uns zu Beginn etwas darüber erzählen, wie Sie zu Ihrem Beruf gekommen sind: Was fasziniert Sie daran, sich mit Theater und interaktiver Kunst zu beschäftigen?

KATRIN SASSE: Ich habe immer schon gerne Theater gespielt. Meine erste Hauptrolle hatte ich als Vogelbraut im Kindergarten. Später habe ich an einer privaten Schauspielschule Unterricht genommen und dabei die Liebe zum Improvisationstheater entdeckt.

Das habe ich sehr lange nebenbei gemacht, da ich mir nicht vorstellen konnte, damit ernsthaft Geld zu verdienen.

Erst durch meine Krebserkrankung 2005 habe ich einen Sinneswandel durchlebt. Ich hatte damals einen sehr fordernden Job als Lehrerin an einer Gesamtschule in einem Essener „Problemviertel“ und war alleinerziehende Mutter. Ich habe gar nicht mehr gelebt, sondern nur noch funktioniert. Durch die Erkrankung wurde mir bewusst, dass unser Leben endlich ist und so habe ich mit 40 Jahren einen Neuanfang gewagt und eine Theaterpädagogen-Ausbildung begonnen. Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Eine kreative Arbeit, die den zwischenmenschlichen Dialog in den Vordergrund rückt, bleibt immer spannend.

Wir wollen Ihren Beruf besser verstehen. Welche Eigenschaften braucht man, um diesen auszuüben und warum?

KATRIN SASSE: Zu Beginn meiner Seminare erkläre ich immer die 3 wichtigsten Grundregeln des Improvisierens:

  • Mut zum Scheitern!
  • Aufeinander achten!
  • Im Moment sein!

Diese wichtigen Grundgesetze der Improvisation kann man auch als Lebensregeln begreifen, die meine Arbeit prägen. Ich kann nur zu neuen Erkenntnissen gelangen, wenn ich meine gewohnten „Gedankenautobahnen“ verlasse und mich abseits der Trampelpfade durch den Busch schlage. Dies erfordert eine Portion Mut. Wenn ich jedoch das Scheitern als Möglichkeit zur Entwicklung begreife, kann ich mich auf mein Ziel dahinter freuen. Happyness is the way – sagen schon die Buddhisten. Da kann ich nur zustimmen.

Aufeinander Achten, ist in einer Welt, wo der Egoismus oft als Erfolgsrezept verkauft wird, ein wichtiger Hinweis zum Umgang miteinander. Nur wenn wir unser Ego transparent gestalten, uns selbst nicht zu wichtig nehmen, können wir das Gegenüber wahrnehmen und erkennen. Das „Wir“ im „Ich“ entdecken, ist eine hohe Kunst, die ich gerne beleben möchte.

Im Moment sein – das ist eine Lebenskunst, die man durch Improvisationstheater erlernen kann. Wenn ich nicht darüber nachdenke, was in der Vergangenheit alles schief gegangen ist und was in der Zukunft alles falsch laufen könnte, dann bin ich im Moment – meine Sinne sind geschärft, mein Handeln folgt der Intuition. Dies funktioniert erst dann gut, wenn ich meine Angst loslassen kann. Das ist der Prozess, den ich gemeinsam mit meinen Workshop-Teilnehmern durchlaufe. Ich selbst muss dabei offen und empathisch sein und erkennen, wo die Teilnehmer Unterstützung brauchen.

Ich bezeichne meine Herangehensweise auch selbst als „Psycho-Komik“. Es geht mir im Grunde darum, dass meine Seminar-Teilnehmer erleben, wie wir gemeinsam über eigene Schwächen, Schwierigkeiten und Konflikte herzhaft lachen. Die Kunst das Leichte im Schweren zu entdecken, macht unseren Geist offen und unser Denken flexibler. Der Humor schafft innere Distanz und eröffnet so neue Lösungsmöglichkeiten. Das Kundengespräch als „Horror-Szene“ zeigt offen die Probleme ohne Anzuklagen.

Schauspielerin und Künstlerin zu sein, ist keine Qualifikation, die vergleichbar mit anderen ist. Woher weiß man: Ich bin gut und kreativ genug, ich schaffe es und kann damit Geld verdienen?

KATRIN SASSE: Ein Amateurkünstler unterscheidet sich von einem professionellen Künstler in erster Linie dadurch, dass er den Mut aufbringt, diesen Schritt zu wagen. Das sagt noch nichts über die Qualität seiner Kunst aus. Schließlich wurde Mozart auch im Armengrab beerdigt. Im Allgemeinen sind auch gute Künstler oft schlechter bezahlt als Putzfrauen oder Lagerarbeiter. Daher der schöne Witz: Treffen sich zwei Künstler, sprechen sie über Geld. Treffen sich zwei Bänker, sprechen sie über Kunst.

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Wer also davon träumt, reich zu sein, sollte besser Bänker werden. Es ist jedoch möglich, von der Kunst zu leben. Dafür gibt es meiner Meinung nach folgende Voraussetzungen: „Kunst kommt von können“ – man sollte daher sein Handwerk beherrschen. Der Künstler muss „seinen eigenen Wert kennen und selbstbewusst einfordern. Das Publikum will unterhalten werden.“ Sagte schon William Shakespeare. Nur wenn ich etwas schaffe, wofür Menschen bereit sind, Geld auszugeben, kann ich von meiner Kunst leben.

Ihr Ausbildungsweg ist sehr vielseitig, Sie haben Chemie studiert, Sie sind Ingenieurin und Lehrerin, Schauspielerin und Theaterpädagogin. Wie kam es zu diesem Werdegang?

KATRIN SASSE: Ich bin ein neugieriger Mensch, kreativ und initiativ, aber auch exzentrisch und unangepasst. So hat es ein wenig gedauert, bis ich meinen Platz im Leben gefunden habe. Aber das ist auch gut so. Aus meinen verschiedenen Berufen nehme ich die unterschiedlichsten Erfahrungen mit. Ich kann denken wie eine Naturwissenschaftlerin, eine Pädagogin, eine Regisseurin, habe Wirtschaft und Politikwissensschaften studiert, mich mit Psychologie und Kommunikation beschäftigt, in einem Pflegeheim Depressive zum Lachen gebracht und eine Theatergruppe mit Demenzkranken, Schlaganfallpatienten und Rollstuhlfahrern geleitet. All dies macht mich zu dem Menschen, der ich heute bin.

Ihr Projekt „Training mit Theater“ hilft dabei, mit Körpereinsatz Sachverhalte besser zu begreifen und Lösungen zu finden. Welche Rolle spielt hierbei für Sie die Kreativität – für Sie als Trainerin und für Ihre Kunden

KATRIN SASSE: Kreativität und lösungsorientiertes, mehrdimensionales Denken ist der Schlüssel für die Probleme und Krisen unserer Zeit. Es gibt dafür den neumodischen Begriff „Hybrid-Thinking“. Im Grunde beschreibt dies jedoch ein Wissen, das schon länger existiert, aber in unserer Zeit ein Schattendasein führt. Unsere Gesellschaft und Wirtschaft wurde im vergangenen Jahrhundert zu häufig von Menschen geprägt, die eindimensional denken. Auch unser Bildungssystem ist eher auf die Ausbildung von Experten ausgerichtet, die sich nur in einem Gebiet sehr gut auskennen.

Workshop bei "Training mit Theater" © Britta Radike

Workshop bei „Training mit Theater“ © Britta Radike


Shakespeare Connection

The Shakespeare Connection © Michaela Dreßen

Viele Menschen sind z.B. auch heute noch „zahlengläubig“, weil dies aus Ihrem Blickwinkel Sicherheit bedeutet. Wichtige andere Aspekte werden oft ausgeblendet. Dieses Inseldenken ist nicht nachhaltig und beschädigt unsere Welt. Als Ingenieurin in der Öko-Systemforschung habe ich viele Zahlen produziert und weiß daher, dass diese Sicherheit nicht existiert. Es gibt keine Sicherheit, die Welt ist zu komplex. Wir können Sie nicht präzise verstehen oder gar kontrollieren. Die Welt ist ein chaotisches System – die Wirkmechanismen sind multifaktoriell und daher nicht berechenbar. Dies gilt auch für die zwischenmenschlichen Interaktionen.

Kreatives Denken wie ich es verstehe, heißt, diesen Zustand zu akzeptieren. Durch flexibles, mehrdimensionales Denken kann ich mich neuen Aufgaben stellen und mich an veränderte Umstände anpassen. Wichtig ist auch zu erkennen, was wir lassen oder loslassen können. Die Frage ist nicht wie viel, sondern was und warum?

Diese Denkweise in die Wirtschaft zu tragen, ist ein spannender Aspekt meiner Arbeit. Unternehmen fördern Künstler? – Denken Sie das Gegenteil!

„Spielend Lösungen finden“ ist Ihr Motto – dieser Ansatz wird doch häufig belächelt, auch wenn im Bereich des E-Learning z.B. immer häufiger vom Game-based-Learning gesprochen wird. Ist es schwer, in Ihrer Branche ernst genommen zu werden oder sind Sie bisher auf keine Hindernisse gestoßen?

KATRIN SASSE: Das Ungewohnte wird zunächst abgelehnt. Ein Prozess, den ich oft beobachte. Regelmäßig treffe ich auf Widerstände und Vorurteile. Oft finden Projekte nicht statt, weil ein Entscheider Bedenken äußert. Die Angst davor, sich „lächerlich“ zu machen, haben viele Menschen. Gerade in Unternehmen will man ja ernst genommen werden. Zu meiner wichtigsten Aufgabe gehört es daher, diese Ängste ernst zu nehmen und zu entkräften. Bei meiner Arbeit geht es darum, mit den Menschen zu lachen, nicht über Sie. Schadenfreude kann man bei RTL im Dschungel-Camp bewundern, bei meinen Projekten eher nicht.

Bei meiner Arbeit hilft mir da auch, dass ich durch mein naturwissenschaftliches Studium als weiblicher Nerd groß geworden bin und so auch eine sachliche, geradlinige Sprache sprechen kann. Ich mache auch gern Witze über die Klischees, die mich verfolgen. „Ihr müsst nicht Euren Namen tanzen!“ – so habe ich mal ein Seminar mit Handwerksmeistern begonnen. Da ging gleich ein erleichtertes Puuh! durch die Runde.

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Wir sind neugierig, wie ein typischer Berufsalltag einer Künstlerin und Unternehmerin aussieht: Können Sie ihn uns beschreiben?

KATRIN SASSE: Bei mir ist jeder Tag ein wenig anders. Ein Großteil meiner Arbeit ist die Akquise von Projekten, die Erstellung von Konzepten sowie die Kommunikation mit meinen Kunden und Künstlern. Die Workshops und die Projekte dann durchzuführen, macht nur ca. 1/3 meiner Arbeitszeit aus.

Ich habe das Glück, dass mein Lebenspartner auch mein bester Mitarbeiter ist. Er ist ein brillanter Musiker und ein genialer Komponist und in seiner Funktion als „Feelgood-Manager“ auch gleich für die gute Laune der Chefin und der anderen Künstler zuständig, die bei unseren Projekten mitarbeiten. So komponieren wir dann schon mal gemeinsam einen Song für den Unternehmerinnenverband „Schöne Aussichten“ am Frühstückstisch, besprechen ein Unternehmenstheaterprojekt in der Hängematte auf dem Balkon oder bei einem Spaziergang im Wald.

Dann sind wir wieder unterwegs wie jetzt bald in Berlin. Dort habe ich ein kleines Theater im Prenzlauer Berg gemietet. Zehn Tage sind wir dort. Die Angestellten einer Krankenkasse lernen dort etwas zum Thema: „Perspektivenwechsel und Empathie bei der Kundengewinnung“.

Selbständig zu sein, ist nicht immer einfach. Man trägt die ganze Verantwortung und braucht viel Selbstdisziplin. Wie motivieren Sie sich?

KATRIN SASSE: Wenn mich jemand nach dem Sinn meiner Arbeit fragt, sage ich immer: Meine Aufgabe ist es, die Welt ein kleines bisschen fröhlicher und leichter zu machen. Bei allen Projekten ist dies der „Sub-Text“. Dies gerade dort zu tun, wo wir das nicht erwarten, ist eine wunderbare Aufgabe. Veränderungsprozesse in den Köpfen anzustupsen, macht mir auch sehr viel Freude, ich kann den Menschen quasi beim Wachsen zuschauen.

Zudem bekomme ich auch oft sehr viel positives Feedback zu meiner Arbeit. Es gibt da immer die Momente, wenn meine Arbeit endet. Neulich erst hatte ich einen Workshop, da wollten die Teilnehmer nach einer Woche intensiver Theaterarbeit gar nicht nach Hause gehen. Einer der Teilnehmer hatte sich über Nacht ein paar Szenen überlegt und dann mit allen nochmal die Highlights der Woche gespielt. Manchmal laufen mir nach Jahren noch Teilnehmer über den Weg und bedanken sich. Eine Frau, die den Mut gefunden hat, sich selbständig zu machen, ein Lehrer, der nun selbstbewusster vor der Klasse steht, eine Mitarbeiterin eines Lebensmittelproduzenten, die von Ihrem Kollegen gemobbt wurde und mit mir ihre Opferrolle verlernt hat.

Ich bekomme viel zurück. Das schafft meine Motivation für die Steuererklärung!

Es gibt unzählige Netzwerke für selbstständige Frauen. Was ist so wichtig daran, sich mit anderen aus der Branche – mit anderen Frauen – zu vernetzen?

KATRIN SASSE: Unternehmerin zu sein heißt, dass ich vieles können muss, von dem ich erst einmal keine Ahnung habe. Zudem muss ich alle Entscheidungen selber treffen. Ich bin im Unternehmerinnenverband „Schöne Aussichten“ mit vielen interessanten Frauen vernetzt. Wir beraten und unterstützen uns gegenseitig. Empfehlen uns weiter… Das ist sehr wichtig! In dieser Gemeinschaft Gleichgesinnter fühle ich mich gut aufgehoben.

Zum Schluss möchten wir noch wissen: Was sind die Sonnenseiten bzw. Schattenseiten in Ihrem Beruf?

KATRIN SASSE: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, kann arbeiten wie und wann ich will. Das ist ein Privileg, das ich zu schätzen weiß. Aus meiner Phantasie heraus etwas in die Realität zu entwickeln, ist eine erfüllende Tätigkeit. Langeweile kenne ich nicht, alles geht mir leicht von der Hand, weil ich meine Arbeit gerne und mit Leidenschaft mache. Ich bin nicht reich, aber auch nicht wirklich arm, lebe im emotionalen Wohlstand, nehme mir Zeit, mein Leben zu genießen. Ein Lebensluxus, den ich jedem Menschen wünsche! Ich würde es immer wieder so machen.

Vielen Dank Katrin Sasse für das Interview!

Mehr über Katrin Sasse

Mit ihrem Projekt „Training mit Theater“ ist Katrin Sasse erfolgreich. Was alles dazugehört können Sie auf ihrer Webseite nachlesen: www.training-mit-theater.de

Zum interaktiven Theater „The Shakespeare Connection“ gibt es einen Blog: https://theshakespeareconnection.wordpress.com

- Artikel vom MTkuMDIuMjAxNQ==

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