Gleichheit zwischen Mann und Frau © thodonal/ Fotolia.comGesellschaft

Der Sinn und Zweck der Frauenquote klingt wie die Traumerfüllung der Emanzipation: Erreicht werden soll nämlich die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Ihren Ursprung hat die genderbezogene Quotenregelung zur Besetzung von Gremien und Arbeitsplätzen im „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“, kurz CEDAW, welches die Vereinten Nationen im Jahr 1980 verabschiedet haben.

Gut dreißig Jahre später beklagt der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) die anhaltende Benachteiligung von Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Stellt sich also die Frage, wie sinnvoll die Frauenquote wirklich ist? Gibt es sinnvollere Alternativen?

Wieso ist eine Quotenregelung überhaupt nötig?

Von den Jägern und Sammlern bis zur Landwirtschaft: Überall haben Frauen ihren Beitrag geleistet. Spätestens mit dem aufkommenden Bürgertum war ihre Rolle besonders im Bereich Haushalt und Mutterschaft als so selbstverständlich wie unentgeltlich definiert: Erst während der Industrialisierung stieg der Anteil der für Lohn arbeitenden Frauen wieder stark an. Als Arbeitnehmerinnen waren sie besonders beliebt – nicht nur wegen ihrer Belastbarkeit, sondern auch wegen der im Vergleich mit den Männern deutlich geringeren Entlohnung. Um unter anderem diesen Umstand zu bekämpfen, entwickelte sich schließlich die Frauenbewegung.

Heute stellen Frauen fast die Hälfte der Arbeitnehmer und Justizminister Heiko Maas bezeichnet sie als „noch nie so gut ausgebildet wie heute“. Dennoch werden gerade einmal 21% der Vorstandspositionen von im DAX vertretenen Konzernen von weiblichen Führungskräften besetzt. Obwohl von der Telekom bis zu Siemens immer mehr Unternehmen Selbstverpflichtungserklärungen beschließen, liegt Deutschland im europäischen Vergleich hier nur auf Platz 9. Die Frauenquote scheint also nötiger denn je.

Wer ist dafür, wer ist dagegen?

Auf der einen Seite stehen moderne Gleichberechtigungsbefürworter und FeministInnen, auf der anderen Seite… ja, wer eigentlich? Untersuchungen zeigen, dass die Eliten in Politik und Wirtschaft meist weiße Männer im mittleren Alter sind. Sie kennen einander von der Universität und sie verbindet viel – vom Maßschneider bis zum Segelclub. Natürlich holen sie am liebsten ihresgleichen in die Führungsetagen – Migranten und Arbeiterkinder möchten sie dort ebenso wenig sehen wie Frauen. Eine gesetzliche Regelung scheint also unumgänglich, wenn dieses Missverhältnis ausgeglichen werden soll.

Gegen die Pro-Forma-„Quotenfrau“: Die Pro-Argumente

Für eine Frauenquote spricht:

  • Qualifizierte Frauen werden als Kandidatinnen wahrgenommen und gefördert.
  • Obwohl viele Unternehmen sich Frauenförderung auf die Fahnen schreiben, bewegt sich ohne offiziellen Druck oft nichts.
  • Gemischte Teams arbeiten meist effizienter und sind kreativer.
  • Minderheiten gewinnen erst ab 30% Gruppenanteil echten Einfluss.

Gründe, die keine sind: Die Contra-Argumente

Frauen wollen nicht führen, es gibt keine qualifizierten Frauen, Frauen wollen nicht wegen einer Quote befördert werden…: Wie bei den meisten Themen, die mit Gleichberechtigung zu tun haben, werden auch bei der Diskussion über die Frauenquote gern sexistische und unsachliche Argumente ins Feld geführt. Typische Sprüche der Frauenquoten-Gegner lauten: Die Quote stellt eine zusätzliche Hürde bei der Personalsuche dar; die Quote führt zur Zerstörung der traditionellen Familienwerte und zu Problemen bei der Kinderbetreuung (wessen Kindern eigentlich?, müsste man die Männer hier dann fragen).
Bei der Frauenquotendebatte geht es jedoch um die Frau als Arbeitnehmerin – nicht um private Belange oder Personaler-Wehwehchen: Deswegen bleiben diese Themen an dieser Stelle außen vor.

>>>Lesetipp:  Mansplaining: Ein Phänomen erhält eine Definition

Tatsächlich existieren nur zwei logische Argumente gegen die Frauenquote:

  • Eine Quote sorgt durch Diskriminierung der Männer für Frust und Missgunst.
  • Eine Quote wertet Qualifikation und Leistung ab.

Doch von wie viel Frauenquote ist eigentlich die Rede, dass Männer sich derartig bedroht sehen müssten? Der aktuelle Gesetzesentwurf des Bundestages sieht bis zum Jahr 2018 einen Frauenanteil von 20% vor, der bis zum Jahr 2023 noch einmal verdoppelt werden soll. Sprich: Auch danach werden noch 60% der Arbeitsplätze an Männer vergeben. Außerdem bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf hochrangige Aufsichtsrats-Positionen.

Was nutzt die Frauenquote den Frauen?

Zunächst einmal gibt es „die Frauen“ natürlich nicht. Genau so wenig wie „die Männer“, die keine Chefinnen akzeptieren oder „die Chefs“, die Frauen keine Chancen einräumen. Doch in der Praxis gibt es nach wie vor vergleichsweise wenig Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Bei der Begründung lassen sich Beruf und Privates aber anders als bei der theoretischen Diskussion nicht trennen:

  • Babypausen können sich je nach Dauer negativ auf Aufstiegschancen auswirken.
  • Frauen können mit Belastung und Verantwortung umgehen – die Verbindung mit reinen Herrenrunden und Männerwitzen schreckt jedoch oft ab.
  • Frauen in Führungspositionen distanzieren sich häufig demonstrativ von Frauen-Förderprogrammen und Kinderbetreuungsproblemen ihrer Kolleginnen, um als „neutral“ zu gelten.

Dazu kommt ein Problem, mit dem auch männliche Aufsteiger zu kämpfen haben: Wem die entsprechende Herkunft fehlt, wer kein Netzwerk hat und sich nicht bewährt, der ist schnell wieder draußen. Kann die Quote also überhaupt helfen?

Wie wird die Frauenquote in der Realität umgesetzt?

„Die Frauenquote“ – das klingt, als gäbe es eine unumstößliche Regel. So ist es allerdings nicht: Stattdessen hat die deutsche Rechtswissenschaftlerin und Politikerin Heide Pfarr Abstufungen für die verschiedenen Arten von Frauenquoten entwickelt.

Quoten ohne und mit Qualifikationsbezug

Hier wird festgelegt, inwieweit neben dem Geschlecht auch die Eignung für eine Stelle einbezogen wird.

  • Eine starre Quote muss unabhängig von den Anforderungen eingehalten werden.
  • Beim Zusatz „mit Mindestanforderung“ werden bis zur Quotenerfüllung Bewerberinnen eingestellt, welche die definierte Mindestanforderung erfüllen.
  • Die vorrangige Berücksichtigung bei gleicher Qualifikation bevorzugt Frauen gegenüber gleichqualifizierten Mitbewerbern.
  • Die vorrangige Berücksichtigung bei gleichwertiger Qualifikation bezieht auch andere, weicher definierte Qualifikationen ein.

Die rechtliche Bindung der Quoten

Die Frauenquoten unterscheiden sich außerdem anhand des Grades der rechtlichen Verpflichtung. In Belgien etwa sollen im Jahr 2017 verbindliche Vorgaben eingeführt werden: Werden diese bei Vergabe eines Amtes nicht berücksichtigt, gilt die Neubesetzung der entsprechenden Position als nichtig. Ganz anders ist es bei einem unverbindlichen Orientierungsmaßstab: In Spanien werden zwar Frauenquoten ausgesprochen, aber wegen fehlender Konsequenzen bei Nichtbeachtung handelt es sich letztlich doch nur um wirkungslose Empfehlungen.

Deutlich effizienter zeigt sich die dritte Strategie, bei der die Einhaltung der Quote mit besonderen Vorteilen wie etwa Subventionen oder der Vergabe von Aufträgen gekoppelt ist: So veröffentlichte etwa das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 ein neues Tariftreue- und Vergabegesetz, nach dem nur noch mit Unternehmen zusammengearbeitet wird, die sich (ab einer gewissen Unternehmens- und Auftragsgröße) zur Frauenförderung verpflichtet haben.

>>>Lesetipp:  Sex sold out? Sexismus in der Werbung

Bezugsgrößen für die Frauenquote

Die jeweiligen Quoten-Prozentzahlen richten sich nach

  • willkürlicher Festsetzung
  • dem Anteil der Geschlechter in der Bevölkerung
  • dem Anteil der Geschlechter in der erwerbsfähigen Bevölkerung
  • dem Anteil der Geschlechter beim Abschluss der Ausbildung (Schulstufe, Hochschule, Beruf)
  • dem Anteil der Geschlechter bei den BewerberInnen für konkrete Positionen

Manche dieser Vorgaben muten absurd an – und das sind sie auch. Ob die Frauenquote positiven Einfluss auf die Diversifikation ausübt oder als starre Blockade wirkt, ist dabei oft eine Sache der Auslegung. Die sinnvolle Konsequenz für Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen kann also nur eins sein: Offenheit. Arbeitgeber müssen die Augen für all ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen öffnen. Männliche Arbeitnehmer können gute Chefinnen schätzen lernen, während Frauen sich selbst mehr zutrauen dürfen.

Wie sieht es eigentlich bei den Tages- und Wochenzeitungen, den Fernsehsendern oder den Onlinemedien aus? Zum Thema Frauenquote haben sie viel zu sagen. Was sagen ihre Führungsetagen dazu?

Frauenquote: Gleichberechtigung oder Diskriminierung?

Die US-Supermarktkette Walmart zeichnet seit einer Weile Produkte aus Betrieben mit weiblicher Leitung mit dem Prädikat woman owned aus. Das mag gut gemeint sein, doch ist es auch gut gemacht? Die deutsche Linguistin Elisabeth Wehling ist von solchen Maßnahmen wenig überzeugt. Nach ihrer Sicht der Dinge liegt ein großes Problem der Gleichberechtigungsdebatte in den Formulierungen. Begrifflichkeiten wie „Rechte für Frauen“ oder „Frauenquote“ machen Frauen nämlich nicht nur zu vermeintlichen Opfern: Hier scheint außerdem jemand etwas zu bekommen, ohne etwas leisten zu müssen.

Um einen tatsächlichen Perspektivwechsel zu vollziehen, empfiehlt Wehling daher, sich nicht für das „Opfer“, sondern gegen den Missstand zu positionieren. Auf das Beispiel der gerechten Geschlechterverteilung am Arbeitsplatz bezogen, könnte der Begriff „Geschlechterquote“ also möglicherweise mehr bewirken.

Alternativen zur Frauenquote

Wird diese neutrale Form weitergedacht, könnte die „genderlose Bewerbung“ eine gute Alternative sein: Hier werden die KandidatInnen ohne Angabe von Name und Geschlecht rein nach ihren Fähigkeiten beurteilt. In Kombination mit der Frauenquote könnte dies auf lange Sicht einen Kulturwandel bewirken: Denn wenn Frauen in Führungsrollen nicht mehr per se als zickiges Mannweib verschrien sind, würden sie als durchsetzungsfähige Vorbilder und Mentorinnen für ihre Geschlechtsgenossinnen fungieren.

Bereits jetzt bemühen sich Netzwerke wie die Initiative PepperMINT in klassischer Bottom-up-Manier darum, Männern und Frauen schon auf der untersten Führungsebene dieselben Aufstiegschancen zu verschaffen. Weitere Maßnahmen wie etwa familienfreundliche Arbeitszeiten für Mütter (und Väter!) können die Entwicklung positiv unterstützen.

Fazit

Für eine familienfreundlichere Gesellschaft und für eine feministische Grundstimmung in den Unternehmen kann die Frauenquote nicht sorgen. Doch bis Politik, Sprach- und Kulturwandel eine langfristige Veränderung der Gesellschaft bewirkt haben, bietet die Quotenregelung Frauen eine erste Chance zum Weiterkommen.

- Artikel vom MjEuMDYuMjAxNg==

Das könnte Sie auch interessieren: