Kinder in der Kinderwerkstatt © Evgenii - FotoliaFamilie

Der neun Jahre alte Tobias konzentriert sich darauf, eine Form, die als Schuppe eines Fisches dienen soll, aus der Glitzerfolie zu schneiden. Schön rund soll sie werden und möglichst genauso groß wie die anderen Schuppen, die bereits seinen Holz-Fisch zieren. Die Fischform hat er zuvor eigenhändig mit einer Laubsäge aus Sperrholz gesägt und anschließend bemalt. Nun werden noch viele verschiedene Glitzer-Schuppen gebraucht, um die Sperrholz-Form in den bunten „Regenbogenfisch“ zu verwandeln, den Tobias sich vorstellt. Im letzten Schritt erhält das Werk dann noch einen praktischen Nutzen: Mit einem Quarzuhrwerk versehen, wird der glitzernde Meeresbewohner zur Uhr.

Kinderwerkstatt, selbst gestaltete Uhr, Regenbogenfisch i

Eine in einer Kinderwerkstatt selbst gestaltete Uhr in Fischform © Hobby Treff

Zur selben Zeit formt Sophia (7) im Nachbarraum eine Schale aus Ton, die als Vogeltränke dienen soll. Auch sie ist mit Feuereifer bei der Sache und hat keinen Blick für ihre Umgebung übrig – auch nicht für ihre Mutter, die sie abholen will, doch keine Chance gegen den kreativen Eifer ihrer Tochter hat. Keine seltene Situation in Kinderwerkstätten, erzählt Eliane Schleicher vom Hobby-Treff in München. „Oft müssen die Kinder mit ‚Engelszungen‘ überredet werden, aufzuhören zu basteln und mitzukommen“, berichtet sie.

In der Kinderwerkstatt leben Kinder ihre Kreativität aus

So viel Hingabe kommt nicht von ungefähr: In Kinderwerkstätten können Kinder ihre Kreativität so ausleben, wie sie es möchten. Kein Lehrer mäkelt an nicht ganz präzisen 90-Grad-Winkeln herum, kein Windlicht muss gebastelt werden, wenn doch das Vogelhäuschen viel reizvoller ist – oder umgekehrt, je nachdem. Stattdessen wird angeregt, erklärt, gezeigt und Hilfestellung gegeben, aber nie bevormundet. Manch ein junger „Künstler“ kommt bereits mit einem festen Vorhaben zum Werkeln, der nächste lässt sich lieber durch Vorhandenes anregen. Antonia, 17, erinnert sich gerne an ihre Besuche als Grundschülerin in der Kreativ-Werkstatt: „Die Besitzer waren immer sehr freundlich und halfen uns jederzeit bei unseren Bastelprojekten. Und wenn wir einmal nicht weiter wussten, hatten sie tolle Anregungen für uns.“

Viel Raum für freie Entfaltung

Für zusätzliche Inspiration sorgt die Ausstattung der Kinderwerkstätten: Dort gibt es Material in Hülle und Fülle, so dass aus dem Vollen geschöpft werden kann. Kinder finden zu Hause meist eine beschränkte Auswahl an Werkstoffen in unterschiedlichen Ausprägungen; in einer Kinder-Kreativ-Werkstatt ist das Sortiment ungleich größer. „Der Besuch in der Kinderwerkstatt war auch deswegen immer sehr faszinierend für mich, weil es dort einfach alles an Bastelmaterial gab, was ich mir nur vorstellen konnte“, erinnert sich Antonia weiter. Gleiches gilt für die Werkzeuge: auch diese sind in großer Vielfalt vorhanden. In ein Holzstück muss ein Loch gebohrt werden? Zu Hause müsste man es mühsam mit dem Handbohrer hineinbohren, in der Kinderwerkstatt gibt es die entsprechende Bohrmaschine – sowie je nach Alter des Bastlers jemanden, der ihm bei der Bedienung hilft. Außerdem muss nicht auf den neuen Bodenbelag oder die empfindliche Tischplatte aufgepasst werden, wie das zu Hause der Fall wäre. Blickt man in die glücklichen Gesichter der tief in ihr Tun versunkenen Kinder, sieht man, wie viel Hingabe sie in ihr Werk stecken. Wo sonst können Kinder so frei basteln?

Hier eine Auswahl an Kinderwerkstätten:

Spaß mit positiven Nebeneffekten

Eine Kinderwerkstatt ist jedoch mehr als nur ein Ort zum Malen oder Basteln. Hier muss kein Ergebnis erzielt werden, es darf ausprobiert und gestaltet werden, ohne dass irgendwelche äußeren Zwänge oder Erwartungen erfüllt  werden müssten.

Das kreative Tun und die eigene Fantasie aktivieren Kinder auf dem Weg, sich selbst zu entdecken und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Fachkundiges Personal steht bereit, um bei Bedarf zu helfen und anzuleiten, jedoch niemals zu belehren. Ein Pädagogik-Studium ist hilfreich, wichtiger ist für die Mannschaft in einer Kinderwerkstatt jedoch, gute Sachkenntnisse zu haben und Begeisterung, die ansteckt. So wird jedes Kind ganz nach Bedarf dabei unterstützt, seine Ideen zu planen und umzusetzen – und somit wird auch das abstrakte Denken gefördert.  Nebenbei werden zusätzlich noch Feinmotorik und Tastsinn geschult. Ein toller Erfolg, nicht nur für das Kind, sondern auch für die Mitarbeiter der Werkstätten.

 

Eine Mischung aus Handwerk und Kunst

Zwar variiert das Angebot an Kursen in den verschiedenen Kinderwerkstätten, hoch im Kurs stehen jedoch klassische Aktivitäten wie

  • Malen
  • Basteln
  • Werken in der Holzwerkstatt
  • Modellieren / Töpfern
  • Nähen
  • Reparaturen in der Fahrradwerkstatt

In der Mal- oder Bastelwerkstatt können Kinder bereits ab einem Alter von drei Jahren teilnehmen, wobei dies sehr davon abhängt, wie lange sich das Kind bereits auf eine Tätigkeit konzentrieren kann. Arbeiten wie Nähen und Werken in der Holzwerkstatt setzen bereits ein höheres Maß an Feinmotorik voraus, so dass diese Angebote eher für Kinder, die sich im Grundschulalter befinden, geeignet sind.

Doch auch etwas ausgefallenere Aktivitäten werden angeboten:

  • Frottage (das Durchpausen von erhabenen Mustern)
  • Diorama (Schaukästen)
  • Action Painting (Aktionsmalerei)
  • Trash Art oder Recycling Kunst
  • Land Art (Kunst aus Naturmaterialien)
  • Installation (dreidimensionale Anordnung von Gegenständen)
  • Kalligraphie (Schreibkunst)
  • Workshops mit Pferden
  • Kochkurse
  • Schweißkurs (!)
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Allgemein gilt hier, dass man bei Interesse an einem dieser Kurse gezielt nach einer passenden Kinderwerkstatt in der Nähe suchen muss, und es nicht alle Angebote an jedem Ort und für jede Altersgruppe gibt. In Großstädten ist das Angebot größer und ausgefallener, im ländlichen Raum gibt es dafür mehr Angebote, in denen Tiere eine Rolle spielen.

Tonschale, Vogeltränke, Kinderwerkstatt

In der Kinderwerkstatt gebrannte und glasierte Tonschale als Vogeltränke © Hobby Treff

Unterschiedliche Kursmodelle

In den meisten Kinderwerkstätten gibt es verschiedene Kursmodelle:

  • Offene Treffs: Diese finden an einem oder mehreren Nachmittagen in der Woche statt. Die Kinder können spontan hingehen und basteln dort entweder mit vorher festgelegter Ausrichtung (z. B. Holzarbeiten oder Tonmodellage) oder frei. Oft gibt es eine Trennung nach Alter, also eine Gruppe Vorschulkinder und eine weitere für Grundschüler. Der Vorteil an offenen Treffs ist, dass man sich ganz spontan entscheiden kann, der Nachteil ist, dass beispielsweise bei schlechtem Wetter alle Plätze schnell belegt sind und man gegebenenfalls keinen Platz mehr findet. Ein Nachmittag dauert zwischen eineinhalb und zweieinhalb Stunden, für die zwischen fünf und acht Euro bezahlt werden müssen. Das Angebot umfasst Material wie Farbe oder Papier, aber nicht besonderes Zubehör wie z. B. das Uhrwerk bei dem oben erwähnten Regenbogen-Fisch.
  • Regelmäßige Kurse: Viele Kinderwerkstätten bieten länger andauernde Kurseinheiten an, in denen über ein Semester oder Schuljahr hinweg am eigenen Projekt gearbeitet wird. Neben dem reinen kreativen Gestalten wird in einem festen Kurs auch Wissen vermittelt: In Malkursen lernen die Kinder zum Beispiel verschiedene Techniken kennen, oder in Nähkursen den selbständigen Umgang mit der Nähmaschine. Die monatlichen Gebühren liegen bei rund 50,00 Euro. 
  • Seminare und Workshops: In einem Seminar geht es auch um ein bestimmtes Thema und die Vermittlung von Fertigkeiten, allerdings ist der Kursrahmen zeitlich begrenzt, zum Beispiel als Ferienprogramm oder Wochenendseminar. Hier variieren die Preise sehr, je nachdem, was vermittelt wird, nach Dauer der Kurse und ob Mittagessen inbegriffen ist. Ein Tageskurs wie „In der Tonwerkstatt“ kostet rund 45,00 Euro, ein Pferde-Erlebniskurs mit Mittagessen und Kreativwerkstatt dagegen 75,00 Euro.
  • Kindergeburtstage: Den eigenen Geburtstag oder den der besten Freundin in einer Kinderwerkstatt feiern, ist ein beliebtes Highlight für Jungen und Mädchen. Das Geburtstagkind darf sich vorher aussuchen, was es für ein Werk basteln möchte. Dieses wird dann unter Anleitung von allen Gästen angefertigt und darf als Erinnerung mit nach Hause genommen werden. In einigen Städten können Eltern auch eine mobile Kinderwerkstatt in Form eines bastelgerecht ausgestatteten Kleinbusses buchen, der sogar zum Geburtstagkind nach Hause beziehungsweise vor die Tür kommt. Die Preise für einen solchen kreativen Kindergeburtstag liegen bei rund 80,00 € zuzüglich Materialkosten für 10 bis 15 Kinder.

 

Fazit: Kinder ab drei bis ca. zwölf Jahren können in Kinderwerkstätten eigene kreative Ideen in verschiedenen Kunstrichtungen verwirklichen und werden dabei von geduldigen Profis aus dem jeweiligen Bereich angeleitet und unterstützt. Auch neue Betätigungsfelder werden vermittelt und dabei wird einerseits ein Verständnis für Kunst und andererseits die Feinmotorik geschult. Aufgrund der großen Auswahl an Materialien und das ergebnisoffene Schaffen sind Kinderwerkstätten ein wahres Kreativ-Wunderland für die kleinen und größeren Besucher.

Basteln, Kinderwerkstatt, Schweinchen

Basteln für die Kleinsten: Schweinchen aus Plastikbecher und Toilettenpapierrolle © Hobby Treff

- Artikel vom MjQuMDguMjAxNg==

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