Isabel Garcia: Die Bessersprecher, Cover © Campus VerlagMedien & Kultur

Mythen gibt es zu jedem Thema und erweisen sich als äußerst langlebig selbst dann, wenn sie bereits widerlegt wurden. Die Gründe dafür sind mindestens ebenso zahlreich wie es die Mythen selber sind. Gemeinsam ist allen fehlerhaften Narrativen, dass sie weitergegeben werden, weil Menschen bereitwillig an sie glauben. Ein Glaube an sich ist nichts Schlechtes, schlimmer ist meist, wenn ein Mensch den Glauben verliert, zum Beispiel an die Menschheit. Anders verhält es sich mit Mythen: Diese sind genau deshalb so erfolgreich, sind wahre Überlebenskünstler und „zäh und klebrig“ (Daniel Rettig), weil sie nicht den für das menschliche Zusammenleben hilfreichen Glauben nähren, sondern das Schlechte im Rezipienten triggern: Die Sehnsucht nach einfachen Wahrheiten in einer komplexen Umgebung nämlich sowie den antizivilisatorischen Reflex, komplexe Sachverhalte auf einfache Antworten herunter zu kürzen, um anschließend alle verfügbare Energie darauf zu verwenden, hanebüchene Belege für die Wahrhaftigkeit des Mythos zu finden; wobei in aller Regel bereits das Nichtvorhandensein solcher Belege als größter Beweis schlechthin gilt, zum Beispiel dafür, dass „der Mainstream“ die „Wahrheit“ unterdrücke (oder andere finstere Mächte ihre Finger im Spiel haben).

Kein Fall für Verschwörungstheoretiker, aber höchst anschaulich und geeignet, den Wunsch nach Einfachheit zu denunzieren, sind die Mythen, die Isabel García mit Genuss und Verve auf- und angreift und die alle in der Sphäre der (selbsternannten?) Kommunikationsprofis genährt werden. Aber nicht ausschließlich dort – manche dieser „Kommunikationsirrtümer“, wie der Verlag Campus aus Frankfurt/Main diese Mythen in Titel und Klappentext bezeichnet, sind inzwischen Allgemeingut geworden: Die Geste des Arme-Verschränkens drücke eine defensive Einstellung, gar Abwehr aus, oder man schließt gar auf den Charakter des jeweiligen Menschen und deutet dessen Grundhaltung als „passiv-aggressiv“. Wer die Suchfunktion von Google oder YouTube verwendet mit dem Begriff „verschränkte Arme“, erkennt das ganze Ausmaß des manifesten Unfugs.

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Verschränkte Arme sind Zeichen für eine Abwehrhaltung und für Aggressivität? © StockSnap / pixabay.com

Ein Glaubenssatz nach dem anderen wird systematisch unterhöhlt

Isabel Garcías Buch ist für Menschen geschrieben, die Vorträge im professionellen Umfeld halten beziehungsweise für die verbale Kommunikation ein wesentliches Mittel ihrer beruflichen Tätigkeit ist und hat den Anspruch, die angesprochenen Mythen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Sehr angenehm fällt auf, dass die Autorin immer wieder die Wichtigkeit betont, dass man selbst sich mit den gewählten Hilfsmitteln eines Vortrages wohl fühlen müsse, anstatt Regeln zu befolgen, deren Allgemeingültigkeit sich auch nach mehrmaliger Prüfung des Sachverhaltes nicht erschließt und die wie Axiome feilgeboten werden sowie ihr gläubiges Publikum finden, weil sie, nun ja, einfach sind, um nicht zu sagen: unterkomplex. Ein Glaubenssatz nach dem anderen wird systematisch unterhöhlt, ob es nun um den Augenkontakt geht, um Bewegungen während eines Vortrages auf einer Bühne, um die Handhaltung oder gar das Händeschütteln. Auch Mythen, die uns Textprofis immer wieder begegnen („Verwenden Sie keine Negationen“, „Sagen Sie nie ‚aber‘“, „Verwenden Sie Ich-Botschaften, das ist wertschätzender“), werden widerlegt, mit jeweils nachvollziehbaren Begründungen.

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Isabel García wählt eine Sprache, die sehr stark an verbale Vorträge angelehnt ist, und ermuntert ihre Leserschaft immer wieder ausdrücklich, auf sich selbst zu achten, um festzustellen, was der oder dem Einzelnen individuell am besten taugt. Das ist das große Verdienst dieses Buches: Neben dem Aufräumen mit Mythen und dem Hinterfragen nicht valider Axiome, die in der professionellen Kommunikationsszene herumgeistern, fordert die Autorin dazu auf, die in der Sphäre der professionellen Kommunikation verloren gegangene Authentizität zurückzuerobern und legt nahe, dass wirkliche Wertschätzung nicht im stumpfen Befolgen der Regel namens „Feedback-Burger“ besteht, sondern sich durch ernsthaftes Interesse am Gegenüber ausdrückt. Einfach mögen muss man das Buch schon alleine dieses Satzes wegen:

Ich würde Sie allein schon dafür feiern, dass Sie sich ernsthaft überlegen, was Sie an einem Menschen ehrlich wertschätzen, den Sie gar nicht leiden können.

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Ein Kritikpunkt ist unter anderem die formale Qualität des Buches

Bei aller Wertschätzung, was den Ansatz betrifft, mit sinn- und nutzlosen Regeln, die nur eines zum Ziel haben: Immer gleiche Kommunikation mit den immer gleichen Standards zu erzeugen, aufzuräumen, kann ich die mittlere Schicht des „Feedback-Burgers“ hier leider nicht weglassen. Manches erscheint zu kurz gedacht, nur angerissen. Gar nicht gelungen etwa die Definition von „Selbstbewusstsein“:

Selbstbewusstsein bedeutet, dass Sie sich selbst bewusst wahrnehmen. Wenn ich zum Beispiel auf einem Stuhl sitze, die Beine überschlage und die Arme verschränke, dann sprechen wir von Selbstbewusstsein, solange ich mir dessen bewusst bin.

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Nun, dies ist eindeutig ein Fall für den Begriff „Selbstwahrnehmung“. Der Begriff, den Frau García hier gewollt reduziert, meint selbstverständlich erheblich mehr.

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Ein anderer Kritikpunkt: In der Einleitung bemängelt die Autorin die männliche Dominanz in der „Kommunikationsszene“. Wenig schlüssig erscheint daher die Entscheidung, in den eigenen Texten die Frauen verschwinden zu lassen, indem sie beharrlich nur die männliche Bezeichnung: „Teilnehmer“, „Studenten“, „Moderatoren“ etc. pp. verwendet. Hier wurde eine Chance vertan, den eigenen Worten Nachdruck zu verleihen.

Was die formale Qualität des Buches angeht, muss man leider konstatieren, dass dem Anliegen Frau Garcías ein sorgfältiges Lektorat geholfen hätte – ob man jenes seitens des Verlages verweigert hat, die Autorin es sich verbat oder schlicht der Zeitdruck dafür verantwortlich war, ist natürlich an dieser Stelle nicht zu ermitteln. Es ist allerdings ein Ärgernis, wenn nahezu jede zweite Seite einen Orthographie- bzw. Grammatikfehler enthält und auch Satzzeichen an manchen Stellen für überflüssig erachtet wurden. Selbst die in Tageszeitungen inzwischen so beliebten Fehler, die der kunterbunten Vermischung von Pronomen der direkten Anrede mit anaphorischen Pronomen innerhalb eines Satzes beinahe zwangsläufig folgen, wurden nicht entdeckt und also auch nicht redigiert.

Das Buch ist empfehlens-, ein Lektorat ist wünschenswert

Deshalb das Fazit: Ein gelungenes Buch, wenn es darum geht, der Normierung entgegen zu treten und auf seine je eigenen Bedürfnisse zu achten, und empfehlenswert nicht nur für alle, die schon immer empfunden haben, dass die mantraartig behauptete Allgemeingültigkeit der dort besprochenen „Regeln“ nicht so recht stimmen kann. Kein Lob hingegen für den Verlag, sondern die Übermittlung des Wunsches, in der nächsten Auflage mit einem formal blitzsauberen Buch / E-Book zu überraschen.

 

Isabel García
Die Bessersprecher: Abschied von den größten Kommunikationsirrtümern.
Frankfurt am Main: Campus Verlag; 04.10.2018 – 231 Seiten
EUR 19,95/EUA 20,60/sFr 25,30
ISBN 978-3-593-50924-2

- Artikel vom MjkuMTAuMjAxOA==

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