Oma, Mutter und Tochter am Walchensee – ein Kraftort für Jung und Alt, ©FlareFilmMedien & Kultur

Fragen nach Identität und Wahrheit sind es, die die Regisseurin Janna Ji Wonders motivieren die Geschichte ihrer Familie aus der Sicht ihrer weiblichen Familienmitglieder im Dokumentarfilm „Walchensee forever“ zu erzählen. Fünf Generationen in gut 110 Minuten – eine Herausforderung für die Filmemacherin und für die Zuschauenden gleichermaßen.

„Walchensee forever“ ist eine Jahrhunderterzählung, die familiäre Strukturen und gesellschaftliche Muster von den 20er Jahren bis ins 21. Jahrhundert skizziert. Der Film ist so viel mehr als eine Familiengeschichte. Er berichtet von den Irren und Wirren des zweiten Weltkriegs, zeigt seltene Bilder des „Summer of Love“ und stellt die Sinnfragen des 21. Jahrhunderts.

Filmregisseurin Janna Ji Wonders
Filmregisseurin Janna Ji Wonders © Michael Reusse

Es ist kein Zufall, dass Janna Ji Wonders die Familiengeschichte auf die Leinwand bringt. Sie verarbeitet ein Archiv an Filmmaterial aus über 100 Jahren. Sie selbst wurde bereits als Kind von ihrer Mutter in unzähligen Aufnahmen in Szene gesetzt. Jahre später studiert sie an der Hochschule für Film und Fernsehen in München.

Walchensee, Mexiko, Indien und zurück

Der Film zeigt auf, wie sich generationsübergreifende Konflikte auf den Lebensweg eines Individuums übertragen können. Die Schauplätze des Films reichen über den gesamten Globus – von Lateinamerika bis nach Indien. Doch das Geschehen zentriert sich immer wieder am Walchensee, an dem Ort, an dem ein bayrisches Ehepaar zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Café eröffnet hat – ein Begegnungsort, der der Voralpenregion bis heute erhalten bleibt.

Alles beginnt mit der Geschichte von Regisseurin Wonders‘ Urgroßmutter Apa und Großmutter Norma, welche im Familienbetrieb mit viel Disziplin und Durchhaltevermögen die gastronomischen Räumlichkeiten bewirten. Das Drama des Weltkrieges wird angedeutet – umrahmt von der romantischen Liebesgeschichte eines jungen Mädchens vom Walchensee und eines gutaussehenden Künstlers aus Norddeutschland, dessen Vagabundenleben ein mehr oder weniger freiwilliges Ende findet.

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Aus der intensiven Liebesbeziehung gehen zwei Töchter hervor – beide auf ihre eigene Art und Weise hin und her gerissen von den Widersprüchen in Ihrem Elternhaus. Irgendwo zwischen scheinheiliger Familienidylle und künstlerischem Streben nach Ästhetik und Freiheit finden Sie ihren Ausweg – der sie im Laufe ihres Lebens immer wieder zurück führt an den Walchensee.

Anna und Frauke Werner auf Welttournee mit Hackbrett und Klampfe in der Hand
Anna und Frauke Werner auf Welttournee ©FlareFilm

Mit Hackbrett und Klampfe hinaus in die Welt

Die beiden Hauptrollen des Films haben definitiv Jannas Mutter Anna und deren Schwester Frauke inne. Sie sind die ersten in der Familie, deren Freiheitsdrang sie weit weg führt vom heimischen Gewässer Walchensee. Mit Hackbrett und Klampfe ziehen sie hinaus in die Welt. Frauke und Anna Werner gehen zweifelsohne ihren eigenen Weg. Voller Neugier, Mut und einer gewissen Portion Naivität lassen sie sich vom Leben überraschen.

Sie begeisterten nicht nur den wilden Westen mit bayrischen Traditions-Klängen, sondern auch Schamanen in abgelegenen Regionen Mexikos. Überall wird das Schwestern Duo mit offenen Armen empfangen. „Wir wurden überall mit Respekt behandelt“, erinnert sich Anna Werner an ihre erste große Reise in den 60ern Jahren.

„Wie Adam und Eva“ Anna Werner und Rainer Langhans leben fünf Wochen lang in einer Höhle
„Wie Adam und Eva“ - Anna Werner und Rainer Langhans leben fünf Wochen lang in einer Höhle, ©FlareFilm

Ein Film, der existentielle Fragen aufwirft

Der Dokumentarfilm „Walchensee forever“ ist nicht nur die Autobiografie einer Familie, er ist auch eine Entdeckungsreise, die dem Zuschauer seltene Einblicke in die Gedankenwelt mehrerer Generationen gewährt. Er ist eine Ode an den Kreislauf des Lebens, der nun mal auch den Tod beinhaltet.

Der Film zeigt auf, dass manche Fragen ein Leben lang ohne Anwort bleiben und dass es Strukturen gibt, die uns für immer binden an etwas, das nicht wir sind, das aber dennoch zu uns gehört. Wir können täglich neue Entscheidungen treffen, aber unsere Geschichte komplett umschreiben – das können wir nicht. Aber wir können Sie aufarbeiten, glorifizieren, ihr Aufmerksamkeit schenken und sie zelebrieren. Und dies tut der Film „Walchensee forever“ auf einfühlsame aber auch offensiv ehrliche Art und Weise.

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Anna Werner, Norma Werner und Ji
Anna Werner, Norma Werner und Janna Ji Wonders, ©Flarefilm

Der Film tut weh, ja.

„Walchensee forever“ entlässt seine Zuschauer mit Fragezeichen im Kopf und einem gewissen Engegefühl in der Hals- und Herzgegend. Zerplatze Träume, limitierter Lebensraum, Schicksalsschläge – das Leben schreibt Geschichten oft ohne Happy End.

Wer einen nostalgischen Heimatfilm erwartet ist hier falsch im Kino. Der Familienepos wühlt auf und konfrontiert seine Zuschauer mit den großen Fragen des Lebens. Dafür muss man bereit sein. Für alle, die bereit dafür sind, ist der Film ein wahrer Schatz. Nicht umsonst wurde „Walchensee forever“ im Jahr 2020 für den deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert und mit dem bayrischen Filmpreis ausgezeichnet.

 

Hier geht es zum Filmtrailer:

 

Der Dokumentarfilm feiert am 18. Oktober 2021 in München Premiere. Weitere Termine der Kinotour finden Sie auf der Webseite des Films „Walchensee forever“. (https://walchenseeforever.de/)

 

Gute Unterhaltung und viel Inspiration wünscht die Redaktion von Frauenparadies.de!

- Artikel vom MTQuMTAuMjAyMQ==

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