Viele haben noch gar nicht realisiert, wie stark die Medienwelt dazu in der Lage ist, die Wahrnehmung der Rezipienten zu beeinflussen. Fernsehsendungen, Plakate, Internet, Kataloge und Zeitschriften zeigen fast ausschließlich mit allen Tricks aufgeschönte Stars und Sternchen. Diese als Medien-Realität dargestellte Illusion verändert das Schönheitsideal all derer, die sie nicht strikt von der tatsächlichen Realität abgrenzen. Der Blick in den Spiegel zeigt in der Folge Makel, wo gar keine sind, weil nur die wenigsten den omnipräsent in Szene gesetzten und oftmals photoshop-retuschierten Schönheiten gleichen. Tragischerweise geschieht dies nicht nur in der Selbstwahrnehmung: Mitmenschen, die anders aussehen, als die Medien es vorschreiben, werden ausgegrenzt und diskriminiert. Somit erzeugt die Schönheit, die uns von fast jedem Plakat entgegenstrahlt, Druck und mindert das Selbstwertgefühl. „Schon Normalität ist ein Makel“, brachte ZEIT online die Problematik bereits im Jahr 2012 auf den Punkt.
Die Konsequenz: Kleine Mädchen wollen aussehen wie Jennifer Lawrence, Jugendliche entwickeln Anorexien und Erwachsene investieren horrende Summen in Schönheitsoperationen.
Gegenbewegungen
Zahlreiche Projekte und Organisationen haben es sich zum Ziel gesetzt, dem durch die Medien propagierten Schönheitsideal – dünn, durchtrainiert und makellos – entgegenzuwirken. Zwei der angesprochenen Projekte haben wir uns genauer angesehen:
Dove macht sich stark für das weibliche Selbstwertgefühl
Schon 2004 leitete der Kosmetikkonzern Dove die “Campaign for Real Beauty“ in die Wege. Seither sind bei Dove ‚normale‘ Frauen zu sehen, egal welcher Hautfarbe und gleich ob dünn oder dick. Die Intention: Frauen sollen kein Problem mehr mit unrealistischen Schönheitsidealen haben, sondern ihren Körper schön finden, genau wie er ist. Eine neue Aktion will Mädchen und Teenager in ihrem Selbstwertgefühl bestärken. Unter „Dove: Was wir weitergeben“ steht zu lesen: „Alles, was du dazu brauchst, ist eine positive Einstellung zu deiner eigenen Schönheit. Deshalb ruft Dove Frauen auf der ganzen Welt dazu auf: Erkennt eure ganz eigene Schönheit und zeigt sie selbstbewusst – die Mädchen, die euch beobachten, werden von euch lernen! Es ist an uns, den Frauen der nächsten Generationen das Schönste mitzugeben, was wir haben: Unser Selbstwertgefühl.“
Das Projekt Real Women – Real Bodies hat dieselbe Intention
Studenten der University of Wyoming setzten sich mit Selbstwahrnehmung und Selbstzweifeln auseinander, was sie dazu veranlasste, eine Bewegung zu gründen, die Frauen – inzwischen auch Männern- dazu verhelfen will, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen. Dies geschieht anhand von verschiedenen Bildprojekten und Gastvorträgen. Über das Projekt und die natürliche Schönheit berichteten wir bereits hier: Real Women, Real Bodies – so sehen natürlich Schönheiten aus. Ende 2014 lief das Projekt Real Women, Real Bodies bereits seit einem Jahr. Damals fragten wir Gründerin Sidney Stein, worauf sie besonders stolz ist:
„Seit wir unsere erste Kampagne gestartet haben, haben wir viel internationale Anerkennung durch diverse Veröffentlichungen bekommen. Wir haben es geschafft, unsere Botschaft durch so viele Medien und Medienunternehmen zu verbreiten und wir haben so viele verschiedene Menschen kennengelernt. Besonders stolz bin ich auf all die Kontakte, die wir aufgebaut haben. Inzwischen beteiligen sich zahlreiche Männer und Frauen an der Diskussion über das Körperbild, und ich mag den Gedanken, dass es daran liegt, dass wir diese Botschaft verbreitet haben.“
Was bewirken Projekte wie diese?
Die unrealistischen Schönheitsstandards in den Medien werden mittlerweile immer häufiger vor einem breiten Publikum problematisiert. Hinzu kommen die Skandale um Todesfälle in der Modelszene aufgrund von Unterernährung, die die Allgemeinheit schockierten. Doch sind außer einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit auch faktische Veränderungen zu verzeichnen?
In Anbetracht der dargestellten Tragweite des Sachverhalts sind es zwar nicht viele, doch zumindest in Frankreich gibt es inzwischen ein Gesetz, das die Kennzeichnung retuschierter Bilder in Anzeigen und Werbung vorschreibt. Ein entsprechendes Bild muss mit dem Hinweis „Retuschiertes Foto mit dem Ziel, die körperliche Erscheinung der Person zu verändern“ versehen sein. Die Linksfraktion des deutschen Bundestages verlangt ebenfalls eine solche Gesetzgebung. In Großbritannien wurde eine Werbeanzeige mit einem zu dünnen Model verboten, und sowohl in Frankreich als auch in Israel dürfen so genannte ‚Magermodels‘ nicht mehr auftreten. Auch in Belgien, Spanien und Italien wurden extrem dünne Models vom Laufsteg verbannt. Doch sind dies nur kleine Schritte auf dem Weg dahin, Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung einer ganzen Zivilisation zu ändern.
„Ich denke, bis wir als Gesellschaft gelernt haben, Menschen zu akzeptieren wie sie sind – sowohl von außen als auch innen, ist es wichtig, so lange über die Unterschiede zu reden, bis wir eine soziale Veränderung erreicht haben“, resümiert Real Women, Real Bodies – Gründerin Sidney Stein.
Das Fazit der Redaktion:
Rezipienten müssen lernen, die Bilder von Menschen, die die Medienwelt als Schönheitsideale inszeniert, als das wahrzunehmen, was sie sind: Fiktion. Die Urheber dieser Fiktion – Modeschöpfer, Regisseure, Kosmetikfirmen, Werbeagenturen und Co. – müssen sich der Verantwortung bewusst werden, die mit der Möglichkeit zur Manipulation verbunden ist.