Kiste mit Gemüse aus solidarischer Landwirtschaft © Lisa Davies / pexels.coEssen & Trinken

Jutta Kröll ist Bäuerin des Naturhofs Kröll in Stopperich im Westerwald, der sich in großen Teilen über eine sogenannte Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) finanziert. Das bedeutet: Private Haushalte tragen die Kosten des landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag – biologisch erzeugte, regionale Lebensmittel – erhalten. Mit Frauenparadies hat Jutta Kröll über das in Deutschland relativ neue Konzept gesprochen.

Was ist besonders an Lebensmitteln aus der Solidarischen Landwirtschaft?

JUTTA KRÖLL: Die Lebensmittel gehören den Mitgliedern. Sie sind frisch geerntet, oft am gleichen Tag, an dem sie abgeholt werden. Ich habe noch nie so knackigen Salat gegessen. Manche Mitglieder helfen beim Anbauen und Ernten sogar mit.

Wenn ich regional und bio kaufen will, kann ich in den Bio-Supermarkt gehen. Warum ist die SoLaWi der bessere Weg?

JUTTA KRÖLL: Die Solawi ist der viel kürzere und direktere Weg, ohne Verpackung, ohne lange Transportwege. Die Mitglieder kennen den Gärtner, den Hof, den Acker. Es ist kein Handel zwischengeschaltet. Bricht der Handel zusammen, bekommen die Mitglieder dennoch ihr Gemüse.

Was ist der Vorteil für die Mitglieder, was der Vorteil für den Landwirt?

JUTTA KRÖLL: Die Mitglieder haben die Sicherheit, dass die Lebensmittel wirklich bio sind, weil sie die Menschen auf dem Hof kennen. Der Landwirt hat den Vorteil, dass er weiß, dass viele Menschen ihn und seinen Hof unterstützen: Menschen, die sich eine andere Landwirtschaft wünschen, bäuerlich und mit fairen Preisen für die Erzeugnisse. Der Gärtner hat durch die Solawi seine Arbeitsstelle.

Was schätzen Sie: Wie viel Zeit und Geld investieren die Mitglieder durchschnittlich pro Monat in die SoLaWi?

JUTTA KRÖLL: Die Mitglieder zahlen durchschnittlich 90 Euro im Monat für einen Anteil pro zwei Personen. Der Zeitaufwand reicht von einigen Stunden -wenn jemand auf dem Acker mithilft – bis zu ein paar Minuten, um nur die Kiste abzuholen. Das entscheidet jeder selbst. Manche waren noch nie hier auf dem Hof.

Wir haben viele Mitglieder, die voll im Beruf stehen. Sie haben von vorneherein gesagt, dass sie keine Zeit haben, auf dem Acker zu helfen. Manche helfen anders, in den Arbeitskreisen – Vorstand, Organisation der Depots, Finanzkreis, Öffentlichkeitsarbeit usw. Das geht auch, allerdings ist es schon gut für eine Solawi, wenn einige zum Helfen kommen. Wenn gar keiner käme, wäre es keine Solawi mehr.

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Welche Tiere und Pflanzen hat Ihre SoLaWi? Gibt es ein Produkt, auf das Sie besonders stolz sind?

JUTTA KRÖLL: Gemüse haben wir ca. 30 verschiedene oder sogar noch mehr, von Kartoffeln, Salat, Möhren, Kohlrabi, Zucchini, Kräutern, Tomaten, Artischocken bis Hafer. Ansonsten haben wir Milchkühe, dadurch auch leckere Milch, die mit mehr als vier Prozent Fett viel besser schmeckt als die aus dem Geschäft. Wir schlachten ca. vier bis fünf Mal im Jahr und haben u. a. auch sehr leckere Würstchen. Bei Direktvermarktung können wir mit einer mobilen Schlachtbox auf dem Hof schlachten und ersparen den Tieren so den Weg zum Schlachthof. Und wir haben Hühner, die leckere Eier legen, kein Vergleich zu den Eiern im Geschäft.

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Kühe auf der Weide © skitterphoto.com/pexels.com

Wie wird die Menge der erwirtschafteten Produkte aufgeteilt?

JUTTA KRÖLL: Aufgeteilt wird alles, was da und erntereif ist, egal ob viel oder wenig, auf die Mitglieder. Manche haben halbe Anteile für eine Person, andere einen Anteil für zwei Personen, manche haben sogar zwei Anteile und teilen dies in ihrer Familie auf. Ein halber Anteil bekommt z. B. einen Salat, ein ganzer Anteil zwei Salate, und zwei Anteile wären vier Salate.

Wie viele Produkte sind in den wöchentlichen Erntekisten enthalten?

JUTTA KRÖLL: Um eine vierköpfige Familie zu ernähren, reicht ein Anteil, wenn die Kinder klein sind. Anfang des Jahres war wenig in der Kiste, weil die Schnecken geschadet haben und weil schlechtes Wetter zum Gedeihen war. Jetzt sind die Kisten voller und es gibt genug Gemüse für eine Woche: zwei Salate, zwei Salatgurken, eine Zucchini, viele Tomaten, zwei Zwiebeln, Kräuter, Mangold. Demnächst gibt es noch Kartoffeln dazu und noch mehr verschiedenes Gemüse. Also, es reicht, finde ich. Anfang des Jahres hat es nicht gereicht. Deshalb gilt der Spruch: Die Mitglieder tragen die Kosten und das Risiko.

Welche Konflikte gibt es unter den Mitgliedern und wie werden diese gelöst?

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JUTTA KRÖLL: Konflikte unter den Mitgliedern hatten wir noch keine. Im ersten Jahr gab es einen heftigen Konflikt mit dem Gärtner, wir haben ihn dann gebeten, zu gehen. Unter den Mitgliedern sind einige bei EIRENE, das ist eine christliche Friedensorganisation. Diese Mitglieder sind ausgebildete Streitschlichter und können bei Konflikten helfen. Auf jeden Fall gibt es noch zwei Ombudsleute, an die man sich im Notfall wenden kann.

Welche Zukunftspläne gibt es derzeit für den Hof?

JUTTA KRÖLL: Wir wollen den ganzen Betrieb auf SoLaWi umstellen plus eine Komplettversorgung mit Käserei und Bäckerei ermöglichen. Aber das ist noch ein langer Weg und die Finanzierung ist wahrscheinlich das größte Problem. Wir wollen mehr Vielfalt auf dem Hof, demnächst auch wieder Schweine. Weg vom Größerwerden und Spezialisieren. Wir wollen einen blühenden Hof, auf dem es den Menschen, den Tieren, den Pflanzen und dem Boden gut geht. Wir wollen noch einen Stallanbau hinkriegen, das haben wir für dieses Jahr geplant, wenn das Geld reicht.

Welche Folgen hätte es, wenn sich beispielsweise ganz Deutschland nur noch über SoLaWis „ernähren“ würde?

JUTTA KRÖLL: Wolfgang Stränz von der ersten SoLaWi in Deutschland, dem Buschberghof bei Hamburg, hat mal über SoLaWis gesagt: “Die Lebensmittel verlieren ihren Preis und gewinnen ihren Wert zurück.”

Wenn es nur noch SoLaWis gäbe, würden die Menschen das Essen wieder wertschätzen. Außerdem wären sie viel gesünder ernährt, weil frisch und bio. SoLaWis sind die Höfe der Zukunft: bäuerlich, regional, frei. Die industrielle Landwirtschaft geht den falschen Weg und hat keine Zukunft – siehe Ergebnisse des Weltagrarberichts. Wenn weiter industrielle Landwirtschaft betrieben wird, geht unsere Erde dabei drauf. Eigentlich gibt es gar keine Wahl mehr und das haben unsere Mitglieder verstanden. Die Agro-Chemie und die Politik versuchen allerdings immer noch, uns etwas anderes vorzumachen.

Liebe Frau Kröll, vielen Dank für das Gespräch.

Interessiert an der Solidarischen Landwirtschaft?

Alles Wissenswerte über das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft, über erste Schritte zur Gründung einer eigenen SoLaWi und eine Suchfunktion, über die Sie die nächstgelegene SoLaWi in Ihrer Gegend finden, gibt es auf der Website http://www.solidarische-landwirtschaft.org/de/startseite/.

- Artikel vom MzAuMDguMjAxNg==

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