Henrike von Platen ist Unternehmensberaterin mit den Schwerpunkten Wirtschaftsförderung und Interim-Management. Seit 2010 ist sie Präsidentin des Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW) Germany e.V., der 2008 erstmals auch in Deutschland den Equal Pay Day initiierte. Der Equal Pay Day markiert symbolisch den geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied, der laut Statistischem Bundesamt aktuell 22 Prozent in Deutschland beträgt (lesen Sie dazu mehr in unserem Beitrag zum EPD). Im Fokus des diesjährigen Aktionstags am 20. März steht das Thema „Transparenz“.
Adam und Eva
Adam hat in Berlin an der TU Informatik studiert – genau wie Eva. Beide beginnen als Softwareingenieure in einem Berliner Unternehmen. Adam verdient pro Stunde 19,76 Euro. Eva bekommt nur 18,64 Euro pro Stunde (=5,66 Prozent weniger). Einige Jahre später muss Eva wegen der Geburt ihres Sohnes ihr Pensum auf 20 Wochenstunden reduzieren und verdient nun 19,03 Euro pro Stunde. Da die Firma von Projektleitern vollen Einsatz fordert, wird nur Adam befördert und bekommt nun 21,01 Euro pro Stunde – der Unterschied zwischen beiden Bruttostundenlöhnen ist auf 9,42 Prozent gewachsen und wird am Ende von Evas Karriere ein großes Minus ausmachen.
Das Feigenblatt
Eva verdient nicht weniger, weil sie weniger leistet, sondern weil Frauen für die gleiche und gleichwertige Arbeit schlechter bezahlt werden.Über alle Branchen hinweg betrug die Einkommensdifferenz von Frauen und Männern im Jahr 2013 in Deutschland rund 22 Prozent. Eine Ungerechtigkeit, von der Eva jedoch nur dank der Berechnungen des Statistischen Bundesamts wusste. Viele folgern daraus: Den Gender Pay Gap gibt’s doch gar nicht im wirklichen Leben. Stattdessen mal den direkten Gehaltsvergleich mit Adam machen? Besser nicht – Über Geld sprechen gehört sich nicht oder ist sogar laut Arbeitsvertrag untersagt. So halten Adam und Eva das Gehalts-Geheimnis aus Angst vor Scham oder Neid des weniger Verdienenden hinterm Feigenblatt versteckt.
Über Äpfel und Birnen
Gibt man „Gender Pay Gap“ und „Äpfel und Birnen“ bei Google ein, findet die Suchmaschine 2.870 Ergebnisse. Die Aussagekraft des „unbereinigten Gender Pay Gaps“ sei gleich null, lautet der Vorwurf, weil sie branchen- und positionsübergreifend den Bruttostundenlohn aller berufstätigen Männer mit dem aller berufstätigen Frauen vergleicht. Wenn Frauen am Equal Pay Day gegen die Lohnlücke von 22 Prozent protestieren, ist das aber mehr als nur plakativ und aufmerksamkeitswirksam. Sie verweisen aus gutem Grund auf diese Messgröße: Im unbereinigten Gender Pay Gap verdichten sich (fast) alle Facetten der Probleme, mit denen Frauen im Erwerbsleben konfrontiert werden. Anstatt strukturelle Ursachen herauszurechnen, erfasst sie auch den Teil des Gender Pay Gap, der z.B. durch schlechtere Zugangschancen von Frauen hinsichtlich bestimmter Berufe oder Karrierestufen zustande kommt. Und diese sind möglicherweise ebenfalls das Ergebnis benachteiligender Strukturen.
Der Sündenfall
Was würde passieren, wenn Frauen und Männer über Geld sprechen? Ich vermute, dass wir auf dem Weg zur Entgeltgleichheit ein großes Stück weiterkommen. Schweden, wo man beim Finanzamt Einsicht in die Steuererklärung des Nachbarn beantragen kann, ist kein Land voller Missgunst, sondern Vorbild in Sachen Gleichberechtigung. Und in den USA, wo Gehälter in Stellenausschreibungen stehen, glaubt man daran, jeder könne zu Geld kommen, wenn er nur hart genug arbeite. Wenn Frauen in Deutschland wissen, dass männliche Kollegen für den gleichen Job mehr bekommen, ist es wahrscheinlich, dass sie in der nächsten Gehaltsverhandlung das einfordern, was die Männer verdienen. Vielleicht machen sich sogar die Männer für die Frauen stark, wenn die Unterschiede konkret werden. Und die Arbeitgeber, die dann Unterschiede bei den Gehältern begründen müssten, profitieren von einer transparenten Unternehmenskultur und der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Baum der Erkenntnis
Wenn wir Entgeltgleichheit erreichen wollen, müssen Frauen lernen zu fordern, was Ihnen zusteht. Dazu müssen sie zum einen ihre Qualifikationen, den Wert ihrer Arbeit und die betriebs- und branchenüblichen Gehälter kennen. Zum anderen müssen sie wissen, welche Folgen Entscheidungen im Lebensverlauf haben und welche Fehlanreize (z.B. das Ehegattensplitting) den Paaren bis heute die Aufgabenteilung nach dem „Ernährermodell“ nahelegen. Nutzen Sie Ihre gute Ausbildung, setzen Sie sich mit der Realität auseinander und streiten Sie – nicht nur am Equal Pay Day – für Transparenz!
Quellen und weiterführende Informationen
Diese Zahlen liefert der Lohn- und Gehaltscheck des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung unter www.lohnspiegel.de
Henrike von Platen stellt sich auch auf ihrer eigenen Homepage vor: http://www.von-platen.de/hvp/
Weitere Informationen über die Business Professional Women Germany e.V.: http://www.bpw-germany.de/