Die malerische Idylle der Yorkshire Dales. © Stefanie RöfkeMeine Reise / Reise & Kultur

Zugegeben, mein Wissen über England war vor Kurzem noch ausgesprochen schmal. Außer ein paar Schulbuchfakten und einer kurzen Klassenfahrt nach London hat mich die Insel nie sonderlich berührt. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Gerüchten, die sich um die angeblich so nasskalte Insel ranken, wie die berühmt berüchtigte englische Küche und der etwas eigentümliche Humor. Und seien wir mal ehrlich, der Mythos vom britischen Gentleman ist doch schon längst obsolet.

– Dachte ich …

Yorkshires Zauber

Doch wie das Leben so spielt, traf Amors Pfeil ins Schwarze und ich verlor mein Herz an einen Briten. Ausgerechnet! Kurzum, das Abenteuer wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich packte meine sieben Sachen und zog aufs Eiland, genauer gesagt nach Yorkshire und da war es ein zweites Mal um mich geschehen: Inmitten von saftig grünen Hügeln, auf denen wollene Schafsherden weiden, einsamen Hochmoorlandschaften, die in der Sonne purpurn leuchten, und malerischen Dörfchen vergesse ich prompt alles, was vorher war. Umgeben von uralten Sandsteinfelsen, aus deren geheimnisvollem Innersten mächtige Wasserfälle entspringen, folgt mein Blick dem Rauschen der Flüsse, die sich friedlich durch die Landschaft winden, und ich erblicke mythische Ruinen alter Klosterabteien – ich kann mein Glück nicht fassen. Seit ich gelandet bin, werde ich das Gefühl nicht los, dass Englands Norden ein echter Geheimtipp ist. Romantik pur, wohin das Auge schaut.

Die purpurnen Felsen von Ilkley Moor. © Stefanie Röfke

Die purpurnen Felsen von Ilkley Moor. © Stefanie Röfke

Eine unterschätzte Region

Doch das gilt keineswegs nur für die atemberaubende Landschaft, denn hier lebt auch ein ganz besonderer Schlag von Menschen. “In den News berichten sie doch immer nur von London. Sie sollten sich mal daran erinnern, dass hier auch noch andere Leute in diesem Land leben, und zwar im Norden”, höre ich eine Einwohnerin auf dem Postamt klagen. Ja, eine Lanze muss gebrochen werden für Englands Norden, das sehe ich genauso.

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Willkommen im Land des guten Benehmens

Denn hier gibt es sie noch, die wahren und vielleicht letzten englischen Gentlemen. Als Berliner Großstadtpflanze bin ich ja einiges an rüpelhaftem Benehmen gewöhnt und staune nicht schlecht, als ich plötzlich umgeben bin von echter englischer Höflichkeit. Schon der erste Eindruck zählt und hier im Norden ist der für gewöhnlich äußerst herzlich. Ob an der Supermarktkasse, im Pub, in der Bank oder auf dem Arbeitsamt, die Anrede “Love” oder “Darling” gehört im Norden zum Standardrepertoire. Einer Dame wird ausnahmslos die Tür aufgehalten, die schwere Tasche im Bahnhof treppauf getragen, ein Sitzplatz in der überfüllten Bahn angeboten. Und das von Jung und Alt, Geschäftsmann oder Möbelpacker, sie alle wahren die Etikette. Im Straßenverkehr genauso wie am Biertresen. Hier wird ganz einfach nicht gehupt, gedrängelt oder der Ellenbogen ausgefahren. Im Norden weiß man, was sich gehört und zollt dem Gegenüber Respekt, reiht sich artig in die Schlange ein und wartet geduldig und besonnen, bis der Vordermann beim fünften Einlenkmanöver endlich die Parklücke trifft. Nun kann man natürlich geteilter Meinung darüber sein, wieviel Freundlichkeit ein Mensch ertragen mag, aber allen, denen ein herzliches Willkommensein genauso wichtig ist wie eine märchenhafte Umgebung, dem sei Englands lächelnder Norden wärmstens empfohlen.

Ein Spätsommernachmittag in Hawes. © Stefanie Röfke

Ein Spätsommernachmittag in Hawes. © Stefanie Röfke

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Stefanie Röfke

Die gebürtige Berlinerin und freiberufliche Texterin zog 2014 ins nordenglische Yorkshire. Über ihre Erlebnisse und Eindrücke auf der Insel berichtet sie regelmäßig auf ihrem Blog: stefanieroefke.wordpress.com

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