Was wir essen und trinken, hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Aber nicht alle in den Medien kursierenden Ernährungsempfehlungen sind sinnvoll. So rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) zwar zu fünf Portionen Obst und Gemüse täglich („5 am Tag“) sowie zu möglichst wenig fettreichen Lebensmitteln. Doch diese Richtlinien sind laut Medizinern veraltet. Wer sich daran hält, der versagt seinem Körper in Wahrheit wichtige Nährstoffe. Warum halten sich diese Ernährungsmythen so hartnäckig und wie sieht eine gesunde, ausgewogene Ernährung im Jahr 2016 aus?
Fette sind besser als ihr Ruf
Fett spaltet die Gemüter seit Jahrzehnten. Als Geschmacks- und Aromaträger sorgt es dafür, dass Speisen gut schmecken. Allerdings enthält es mit 9 kcal pro Gramm mehr als doppelt so viele Kalorien im Vergleich zu Kohlenhydraten und Eiweiß. „Wenn es potenziell dick macht, kann es ja nicht gut für die Gesundheit sein!“ – so die weitverbreitete Annahme. Seufzend werden seitdem allerortens die Fettränder vom Fleisch geschnitten, wird trockener Kuchen ohne Sahne verzehrt und werden speziell vor der Bikinisaison die von Lifestyle- und Fitnesszeitschriften publizierten „Low fat“- oder gar „Fatburner“-Rezepte nachgekocht.
Doch: So wenig Fett wie möglich zu sich zu nehmen, ist eben kein guter Tipp für eine gesunde und ausgewogene Ernährung! Was anfangs zu einer Gewichtsreduzierung führt, kann auf lange Sicht einen gravierenden Nährstoffmangel zur Folge haben. Davon abgesehen, dass fettarme Produkte oft auch einen anderen versteckten Dickmacher bergen: Zucker. Denn auf irgendeine Art wollen Hersteller das Lebensmittel trotzdem für den Verbraucher wohlschmeckend produzieren …
Aber zurück zum Fett. Für den menschlichen Stoffwechsel ist es unverzichtbar. Ohne bestimmte Fette kann der Körper fettlösliche Vitamine (A, D, E und K) nicht verwerten. Diese Fette nennt man auch „ungesättigte Fettsäuren“. Sie sind zu einem hohen Anteil enthalten in Pflanzenölen (z.B. Oliven-, Raps-, Erdnussöl), Avocados, Nüssen/Samen und fetten Seefischen wie Hering, Makrele, Lachs. Doch selbst gesättigte Fettsäuren, wie sie vor allem in tierischen Fetten wie Butter, Käse und Wurst vorkommen, sind womöglich besser als ihr Ruf. Wissenschaftliche Studien hatten den Zusammenhang zwischen ihnen und der Anfälligkeit für beispielsweise Arteriosklerose oder Herzinfarkt zuletzt angezweifelt.
Im Übrigen profitiert unsere geistige Leistungsfähigkeit vom Fett – schließlich verbraucht das Gehirn allein fast 20 Prozent der Energie, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Eine fettarme oder fettfreie Diät führt also dazu, dass wichtige körpereigene Substanzen nicht mehr gebildet werden. Dadurch werden wir träge, die Infektionsanfälligkeit steigt.
Die einzigen Fette, über deren negative Auswirkungen auf die Gesundheit Experten sich einig sind, sind die sogenannten „gehärteten Fette“ oder „Transfettsäuren“. Ab einer gewissen Menge können sie tatsächlich koronare Herzerkrankungen begünstigen. Diese Art von Fetten entsteht beim industriellen Härten von Ölen, die wiederum zur Herstellung bestimmter Lebensmittel gebraucht werden. Auch in der Gastronomie werden gehärtete Fette gern eingesetzt, da sie günstig sind, sich lange halten und wiederverwendet werden können (Stichwort: Frittieren). Daher sollten Pommes Frites, Chips, Kekse, Croissants und Fertiggerichte nicht auf dem täglichen Speiseplan stehen; wer ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten hat, sollte diese Lebensmittel sehr zurückhaltend konsumieren.
Obst: Für eine Diät nur eingeschränkt zu empfehlen
Ein Klassiker auf der Liste der häufigsten Ernährungsirrtümer ist auch, dass, wer abnehmen will, viel Obst essen sollte. Sicher, Früchte, Säfte und Smoothies sind lecker, aber hinter der Süße versteckt sich Fruchtzucker (Fructose). Lange Zeit galt Fruchtzucker als unbedenkliche und gesunde Alternative zum handelsüblichen Zucker. Doch jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass übermäßiger Verzehr von Fruchtzucker keinesfalls zu empfehlen ist: Erstens stimuliert er die Fettspeicherung zusätzlich und begünstigt Stoffwechselstörungen, zweitens sendet er kein „Satt“-Signal ans Gehirn – das bedeutet, der Drang zu essen, bleibt bestehen.
Für die Zähne ist häufiger Konsum von Obst oder Säften übrigens eine Strapaze. Über den Fruchtzucker freuen sich die Kariesbakterien, und die Säure greift die Oberfläche des Zahnschmelzes an (das zeigt sich z.B. dann dadurch, dass das Trinken kalter oder heißer Getränke Schmerz verursacht). Nach dem Genuss von Obst sollte man deshalb mit dem Zähneputzen etwa eine halbe Stunde warten.
Heißt das jetzt: Finger weg von Obst? Nein, so drastisch muss man nicht vorgehen. Im Rahmen einer Diät kann es sinnvoll sein, Früchte als Alternative zu kohlenhydratreichen Mahlzeiten zu essen, also beispielsweise das Frühstücksbrot durch Obstsalat zu ersetzen, sofern man damit ein gewisses Sättigungsgefühl erreicht. Dafür kann man beispielsweise Joghurt oder Quark hinzufügen.
Seinen Vitaminbedarf kann man statt mit Obst aber genau so gut und sättigender über Gemüse decken: In einer roten Paprika steckt z.B. der Tagesbedarf eines Erwachsenen an Vitamin C.
Welche Ernährung ist für jeden Einzelnen richtig und gesund?
Als Antwort auf diese Frage empfehlen Ernährungswissenschaftler gemeinhin eine gemischte Kost aus Obst, Gemüse und Salat; aus Fisch, Fleisch und Milchprodukten für den Proteinbedarf, sowie aus Olivenöl, Nüssen und wieder Fisch für die Fette. Doch was ist mit Menschen, denen sich allein beim Wort „Fisch“ der Magen umdreht? Oder mit jenen, die an einer Laktoseintoleranz oder anderen Unverträglichkeiten leiden und deshalb bestimmte Lebensmittel nicht essen können?
Eine pauschale „richtige Ernährung“ für alle Menschen gibt es gar nicht. Nie falsch ist es dagegen, auf den eigenen Körper und dessen Bedürfnisse zu hören: Lösen z.B. bestimmte vermeintlich gesunde Lebensmittel bei Ihnen Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme aus, dann mögen vielleicht andere Menschen von den darin enthaltenen Nährstoffen profitieren – aber Sie haben offensichtlich nichts davon und sollten auf diese Lebensmittel verzichten.
Ansonsten sollte man – erstens – essen, wenn man Hunger hat (allerdings nicht aus Langeweile oder Frust). Denn der echte Hunger ist eine Methode des Körpers, den Menschen zur Nahrungsaufnahme zu bewegen, um das Überleben zu garantieren. Ein gesunder Organismus überwacht außerdem genau, wovon er reichlich hat und was ihm fehlt. Plötzlicher Heißhunger auf dieses oder jene Lebensmittel kann also ein Hinweis auf eine Unterversorgung mit einem bestimmten Nährstoff sein. Zweitens: Man darf durchaus essen, was einem schmeckt, so lange man nicht über die Sättigungsgrenze hinaus isst. Mit dieser ganz bewussten Art des Essens nimmt man geringere Mengen zu sich. Das rechtfertigt auch mal den ein oder anderen Burger.
Für eine gesunde Ernährung heißt es also, weder Verzicht zu üben, noch der Maßlosigkeit nachzugeben, sondern sich und die Bedürfnisse des Körpers in der goldenen Mitte einzupendeln. Es ist ebenfalls sinnvoll, sich regelmäßig über neueste Forschungsergebnisse zu informieren. So kommt man auch hinter veraltete Ernährungstipps und beliebte Ernährungsirrtümer.