Gleiches Gehalt für Frauen © nito / Fotolia.comBerufsleben

Es ist keine Neuigkeit im Berufsleben: Frauen bekommen für vergleichbare Arbeit weniger Gehalt als Männer. Bei der Frage nach den Ursachen hierfür stößt man häufig auf das Stereotyp, dass Frauen die Verantwortung für diesen Umstand trügen: ihr typisches Verhalten führe zwangsläufig zu einem geringeren Gehalt.

Mal abgesehen davon, was ein frauentypisches Verhalten sein soll (wir dürfen davon ausgehen, dass die Träger der These überwiegend negative Aspekte im Sinn haben): Kann eine Annahme, die das „Verhalten“, welches Frauen quasi naturgegeben ist (gehen wir mal davon aus, dass die Verbreiter solcher Thesen vom Begriff der „Sozialisation“ noch nicht wirklich etwas gehört haben), als Grund für die unterschiedliche Bezahlung anführt, eine Berechtigung haben? Oder sollte eher die systematische Benachteiligung der Frau hinterfragt werden? Wir haben uns einen aktuellen Überblick über die Rezeption des Themas „Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern“ in den Medien verschafft und verschiedene Standpunkte dazu untersucht.

Verhalten ändern, Gehalt ändern? Drei geläufige Tipps

Es gibt zahlreiche Webseiten und Ratgeber, die Frauen Tipps geben, wie beispielsweise mehr Gehalt herauszuholen wäre. Diese Ratschläge folgen in der Regel demselben Muster: Die Frau stehe in der Verantwortung, aktiv ihr Verhalten zu ändern, um mehr Geld im Job zu verdienen. Viele der gängigen Tipps gehen in die Richtung „Zu bescheiden für eine Gehaltserhöhung“, wie sie zum Beispiel die Frankfurter Rundschau anbietet: „Zehn Karriere-Tipps – Frauen dürfen im Job nicht zu nett sein“. Ein Blick auf die Top 10 der Google-Ergebnisse mit der Suche nach „Gehaltsverhandlung Frauen Tipps“ vermittelt uns den Eindruck, dass sich Frauen bei der Gehaltsdiskussion falsch verhielten. Interessant auch: Bei der Google-Suche für „Gehaltsverhandlung Männer Tipps“ gibt es keine vergleichbaren Verhaltensempfehlungen für Lohnverhandlungen.

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Ergebnisse der Suche nach Tipps für Gehaltsverhandlungen © Screenshot Google

Folgende drei Empfehlungen sind uns besonders aufgefallen und aus der Tagespresse entnommen.

Tatsächliche Tipps, die die Berufswelt der Frau erfolgreich verändern sollen

  • Tipp 1 – „Nicht das Äußere zählt, sondern die Leistung“: Noch immer ist es wohl üblich, dass Frauen von Vorgesetzten die Ansage bekommen, sich für wichtige Kundentermine möglichst hübsch zu machen, um auf diese Weise zum Erfolg des Treffens beizutragen. Nach wie vor gelten Mitarbeiterinnen in der Arbeitswelt gelegentlich vor allem als Vorzeigeobjekte und sollen gerade bei externen Meetings dementsprechend erscheinen. Um solchen vorgegebenen Schemata zu entfliehen, gibt die Frankfurter Rundschau beispielsweise den Tipp, sich desto dezenter zu kleiden und zu schminken, je höher die Frau sich in der Firmenhierarchie befindet. Frauen sollten also nicht durch Kleidung und Make-up überzeugen, sondern durch ihre Fähigkeiten im Job. Ist im Artikel „Zehn Karriere-Tipps – Frauen dürfen im Job nicht zu nett sein“ in der Frankfurter Rundschau nachzulesen.
  • Tipp 2 – „Übertriebenen Perfektionismus ablegen“: Coach Sabine Asgodom zielt nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf die Arbeitsweise von Frauen ab. Laut Asgodom stehen sich viele Frauen selbst im Weg, da sie zu sehr damit beschäftigt seien, alles perfekt machen zu wollen. Denn „(…)nur eins ist der sichere Karrierekiller: übertriebener Perfektionismus“. Frauen wollten ständig 100 Prozent Leistung bringen, vor allem, weil sie angeblich permanent Angst vor Fehlern haben. Diejenigen Frauen, die sich so verhielten, machten sich selbst wahnsinnig, aber kaum Karriere, sagt Frau Asgodom im Artikel „Die Breite unserer Schleimspur bestimmen wir selbst“. Daher sollten Frauen häufiger „delegieren, Verantwortung abgeben sowie zulassen, dass ein anderer die Dinge anders angeht als man selbst“.
  • Tipp 3 – „Frauen sollen sich mehr zutrauen“: Isabel Nitzsche, Buchautorin und Business-Coach, ist der Meinung, dass Frauen sich zu wenig zutrauten und dies ein entscheidender Grund sei, warum Gehaltsverhandlungen zwischen Frauen und Männern so unterschiedlich verlaufen. Frauen sollten sich für fähiger halten, so wie es männliche Hochschulabsolventen tun. Männer bewerben sich nämlich bereits ein Jahr nach dem Studienabschluss auf Senior-Positionen. Frauen trauten sich „so eine Position oft nach drei Jahren noch nicht zu“. Diesen Tipp bietet die Stuttgarter Zeitung im Beitrag „Gehaltsunterschiede – Frauen verhalten sich anders“ an.
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Die obigen Tipps sollen offenkundig bewirken, dass Frauen daran glauben, sich selbst verändern zu müssen, um in ihrem Job etwas bewegen zu können; diese Hinweise sollen wohl weiterhin darauf abzielen, die Benachteiligung von Frauen zu einem individuellen Problem zu modellieren – dass die Diskriminierung via Gehaltszettel eine systemische Ursache hat, wird ausgeblendet. Dieser Umstand betrifft die Kassiererin, die Managerin und die Personalleiterin gleichermaßen.

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Im Grunde haben die Tipps eine gemeinsame Ausrichtung: Frauen sollen sich anpassen. Und nicht nur das – berufstätige Frauen sollen akzeptieren, dass sie diejenigen seien, die etwas ändern sollen, egal, ob es sich dabei um ihr Verhalten, ihre Persönlichkeit oder ihre Ansichten handelt. Frauen sollen „aktiv“ werden, um die Karriereleiter nach oben steigen zu können, um mehr Gehalt zu bekommen sowie von männlichen Kollegen respektiert zu werden. Wenn man den Karriere-Coaches Glauben schenken mag, dann scheint es so, als sei es ein absolut behebbares Problem: Frauen machen einfach ein, zwei Kurse und setzen zehn Tipps um – voilà, hier kommen Gehaltserhöhung und Beförderung fast wie von selbst. Nur: das ist nicht die Realität, sondern eine bewusst platzierte Nebelkerze.

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Unsere sinnvollen Tipps für ein erfolgreiches Berufsleben als Frau

  • Tipp 1 – „An sich glauben“: Klingt einfacher, als es ist. Frauen sollten gegen Klischees vorgehen, die besagen, dass sie zum Kaffee kochen verpflichtet seien. Ebenso gilt es, die Benachteiligung begleitenden Vorurteile, wie jenes Narrativ von der „Stutenbissigkeit“ (das ist gruselig!) unter Frauen zu begegnen. Frauen sollten in der Tiefe etwas erreichen und einen neuen, selbstbewussten Weg gehen. Aber das ist nur möglich, wenn sie um ihre eigenen Fähigkeiten und Qualitäten wissen. Die Leistung muss zählen und nichts anderes als das – kein Glaube, kein Kleidungsstück und kein Geschlecht. Frauen sollten sich nichts vorschreiben lassen, und ebenso nicht die Möglichkeiten nehmen lassen, in diesem Leben ein angemessenes Gehalt zu bekommen. Stillstand und Anpassung sind keine Optionen. Denn: Wer grundlegend nichts verändert, unterstützt weiter die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt.
  • Tipp 2 – „Sich nicht unterkriegen lassen“: Natürlich ist jeder Kampf mit Widerstand verbunden. Dieser kann aus verschiedenen Richtungen wie der Chefetage, dem Kollegen-, Familien- oder Bekanntenkreis kommen. Vorreiter oder Organisationen können helfen, den Mut für Neues zu bewahren. Die Kampagne zum Equal Pay Day beispielsweise gibt Frauen eine Stimme in der Arbeitswelt und macht auf die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Startschuss für die Kampagne war bereits 1988 in England. Wir haben hierzu einen passenden Artikel für Sie
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  • Tipp 3 – „Selbstwert trainieren“: Laut Martina Lackner, Psychologin, Buchautorin und Inhaberin der PR Agentur cross m., „hat unsere Gesellschaft ein Systemproblem“. Hinter dem vermeintlichen Selbstwertproblem der Frauen verberge sich ein Systemproblem. Die Gesellschaft sei darauf aufgebaut, dass Frauen für wenig Geld arbeiten. Um dem entgegenzusteuern, müsse laut Lackner der Selbstwert trainiert werden: „Trainieren Sie – jeden Tag. Selbstwert steigert sich nicht automatisch. Er braucht Lob und Anerkennung, und wenn es nur kleine Erfolge sind, um zu wachsen. Loben Sie sich selbst, und warten Sie nicht, bis das Lob von außen kommt.“ Nachlesen können Sie die Tipps der Psychologin im Artikel „Wenn Frauen Karriere machen wollen, brauchen sie einen guten Selbstwert“ auf stern.de.

Sich systematischer Benachteiligung widersetzen

Der sinnvollste Tipp zum Schluss von uns: Kämpfen!, für die eigenen Werte und gegen die strukturell angelegte Benachteiligung; wir leben nach wie vor in patriarchalen Strukturen und sollten diese nicht reformieren, schon gar nicht durch Anpassung (ein interessantes Konzept, übrigens …), sondern überwinden. Denn sonst werden nachfolgende Frauengenerationen damit konfrontiert werden. Daher gilt nur eines: Schluss mit den affirmativen Tipps, die an dem grundlegenden Problem nichts ändern.

- Artikel vom MTEuMDkuMjAxNw==

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