Die Dänin Hannah Grant gehört zur Riege der Köche von „Feast Kitchen” und kocht seit 2011 für ein Team der Tour de France. Ihre besondere Liebe gilt dem „Comfort Food”, also klassischer Hausmannskost, die nicht nur satt, sondern auch glücklich macht wie zu Kindertagen. Im Interview mit Frauenparadies erklärt Hanna Grant u.a., warum das so ist und wie wir ein gesundes Verhältnis zu unserer Ernährung entwickeln.
Ms Grant, was hat Sie dazu bewogen, Köchin zu werden?
HANNAH GRANT: Ich fand die Gastronomie immer schon total spannend. Bereits mit 14 wollte ich eine Kochausbildung machen, aber meine Mutter erlaubte das nicht, da sie der festen Überzeugung war, in diesem Business würden hauptsächlich Alkoholiker arbeiten – dass ich so ende, wollte sie natürlich nicht. Aber als ich 20 Jahre alt war und neun Monate in der Königlich Dänischen Marine gedient hatte, kam mein Interesse am Kochen wieder zurück und ich ging auf die Kochschule nach Kopenhagen.
Mir war immer klar, dass ich etwas Kreatives machen wollte. Gerade beim Kochen ist das Tempo sehr schnell, man sieht schnell Ergebnisse und bekommt sofort Rückmeldung – das mag ich. Für langfristige kreative Prozesse habe ich einfach nicht die Geduld. Wenn ich auf Feedback zu lange warten muss, tötet das meine Kreativität ab.
Seit 2011 sind Sie Köchin des jährlich an der Tour de France teilnehmenden Tinkoff-Saxo Fahrradteams. Worin liegt die Herausforderung, für Leistungssportler zu kochen?
HANNAH GRANT: Nun, sicherlich in der Logistik: Ware einkaufen, den Zeitplan einhalten, und dabei trotzdem möglichst alle happy machen – letzteres ist praktisch unmöglich. Zu Anfang schien z. B. die Menge an Essen nicht ausreichend, später kochte ich dann wieder viel zu viel.
Müde Sportler sind schwierige Esser. Trotz aller guten Absichten zieht es sie oft zu ungesunden Lebensmitteln, die leider weder ihren Regenerierungsprozess, noch ihre Leistung unterstützen.
Hannah Grant in Action bei der Tour de France
Sie sind ein erklärter Fan von „Comfort Food”, also Wohlfühl-Essen wie Braten, Nudeln, Eintopf. Warum?
HANNAH GRANT: Naja, das mag doch jeder! Theoretisch ist das eine ganz banale Sache. Aber der wissenschaftliche Grund, warum wir diese Speisen so lieben, ist, dass in ihnen ganz viel “Umami” (neben süß, sauer, salzig und bitter die fünfte Qualität unseres Geschmackssinns; besonders herzhaft und vollmundig, Anmerk. D. Red.) enthalten ist. Burger zum Beispiel: leicht scharfe Essiggurken, süß-saurer Ketchup, scharfer Senf, saftiges Fleisch, fettreicher Käse, knackiger Salat – da findet eine große Geschmacksexplosion statt, der niemand widerstehen kann.
Zweitens ist Comfort Food meist unkompliziert in der Zubereitung. Die Popularität einer bestimmten Mahlzeit hängt meiner Meinung nach auch davon ab, wie einfach man sie kochen kann und wie schnell die Leute sich dadurch an sie gewöhnen. Das bedeutet, dass sie, wenn sie sich in ihrer Wohlfühlzone Küche aufhalten, auch anfangen, mit den Zutaten und Gewürzen zu experimentieren. Ein simples Essen wird dadurch einzigartig und individuell. Comfort Food bezieht sich also nicht nur auf das eigentliche Essen, sondern auch auf den ganzen Prozess davor.
Für viele ist Essen heutzutage Lifestyle. Doch gerade unter jungen Menschen scheint es auch immer mehr Essstörungen zu geben. Warum ist Ernährung heutzutage oft so konfliktbeladen?
HANNAH GRANT: Der Wunsch, sich gesund zu ernähren, kann obsessiv werden. Vor allem, wenn man sein ganzes Leben umkrempelt, nur um eine gewisse Konstitution oder einen bestimmten Körperbau zu bekommen.
Für viele ist Essen ein Kontrollwerkzeug. Egal ob Fast Food, Raw Food oder Low Carb. Was mit guten Vorsätzen beginnt – z.B. ein paar Kilo abzunehmen oder auch, im Gegenteil, sich öfter mal mit einer riesigen Schüssel Eiscreme zu belohnen – kann zu einem Problem werden. Nämlich dann, wenn “mehr” den Drang nach “noch mehr” provoziert. Das ist das Gefährliche: wenn Dinge anfangen, extrem zu werden. In diesem “Extrem-Modus” ist nichts (gut) genug. Wenn man dann noch die Scheuklappen aufsetzt und nur noch Sachen liest, die einen in der eigenen Überzeugung unterstützen, wird es ganz heftig. Das führt dann z.B. dazu, dass manche Leute komplett auf Fett verzichten, oder hungern, oder sich bei niedrigem Blutzuckerspiegel total mit Essen vollstopfen.
Allgemein denke ich, dass wir uns alle im Spiegel angucken und die richtige Balance finden müssen. Das Leben macht keinen Spaß, wenn man Sklave seiner Essgewohnheiten ist.
Wie stehen Sie zu Diäten?
HANNAH GRANT: Diäten sind niemals eine langfristige Lösung. Außer, man will nach Ende der Diät alle Kilos wieder draufbekommen, die man zuvor verloren hat. Macht keine Diäten! Sondern ändert lieber eure Lebensweise! Wenn du übergewichtig bist, machst du normalerweise etwas im Großen und Ganzen falsch, daran ändern auch Fasten und Detox-Kuren auf lange Sicht nichts.
Regel Nummer Eins: Nimm mal deinen Zucker- und Alkoholkonsum unter die Lupe. Da laufen viele Menschen in die Irre. Wenn du jeden Tag Zucker zu dir nimmst – da hast du schon dein Problem, und gleiches gilt für Alkohol.
Aber Diäten bringen nur den Stoffwechsel durcheinander und bringen auch höchstens kurzfristig Veränderungen.
Wie lernt man, auf die Bedürfnisse des eigenen Körpers zu hören und angemessen zu essen?
HANNAH GRANT: Man sollte dann aufhören, zu essen, wenn man satt ist, statt erst dann aufzuhören, wenn man voll ist. Wenn man sich voll fühlt, hat man bereits zu viel gegessen.
Der Körper ist schlau und wird einem auch dabei helfen, wenn man ihn nur lässt. Nach dem Essen einen geweiteten Magen zu haben, ist jedenfalls nicht der richtige Weg. Wir sind keine Höhlenmenschen mehr und Nahrung ist einfach und überall herzubekommen, sodass man sich nicht mehr vollstopfen muss, als müsste man eventuell die kommenden Tage über hungern.
Gibt es ein Gericht, das Ihrer Erfahrung nach in allen Kulturen gut funktioniert?
HANNAH GRANT: Fleischbällchen mit Tomatensauce, würde ich sagen. Die sind kinderfreundlich, einfach zuzubereiten und man kann sie mit jeder Fleischart und in jeder Geschmacksrichtung machen. Ich koche bestimmt ein Mal wöchentlich Fleischbällchen mit großen Tomatenstückchen in der Sauce, viel Parmesan und geröstetem Fenchel! Fenchel ist sowieso top!
Zu guter Letzt: Verraten Sie uns einen einfachen Trick, mit dem man Speisen appetitlich anrichten kann?
HANNAH GRANT: Man sollte die einzelnen Bestandteile einer Mahlzeit möglichst immer “lebendig” anrichten, am besten so etwas wie ein eigenes kleines Universum kreieren, in das der Essende eintauchen kann.Das geht am besten mit ansprechenden Farben. Kleine Wunder auf dem Teller vollbringen ebenfalls frische Kräuter und Zitronenschale.
Ms Grant, vielen Dank für das Gespräch.
Rezept zum Nachkochen:
Eine Original-Variation von Hannah Grants Fleischbällchen mit gedünstetem Kohl und Fenchel
Zutaten:
Für die Fleischbällchen:
250 g Hackfleisch vom Kalb
250 g Hackfleisch vom Schwein
1/2 TL Salz
2 Eier
200 ml Haferflocken
200 ML Reismilch oder Vollmilch
2 Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
1 EL gemahlener Koriander
1 Prise gemahlener Kümmel
frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Für den sautierten Spitzkohl mit Fenchel:
1/2 Weißkohl oder Spitzkohl
2 Fenchelknollen
2 EL Kokosöl
Salz und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Olivenöl
nach Belieben: Blaubeeren
Zubereitung:
Mischen Sie das Hackfleisch von Kalb und Schwein gründlich mit Salz, vorzugsweise in einem Mixer. Fügen Sie die Eier und Haferflocken hinzu und mischen Sie das Hackfleisch, bis eine homogene Masse entsteht. Die Milch erhitzen, bis sie eine angenehme Badewannenwärme hat und dann nach und nach ein wenig von der Milch dem Hackfleisch hinzufügen, bis die Mischung eine weiche, homogenen Konsistenz hat.
Zwiebeln und Knoblauch schälen, fein hacken und unter die Hackfleischmasse mengen. Koriander, Kreuzkümmel und Pfeffer hinzufügen. Um den besten Geschmack und die beste Textur zu erreichen, die Hackfleischmasse für 30 Minuten in den Kühlschrank stellen.
Heizen Sie den Backofen auf 200 ° C.
Nun ein Fleischbällchen formen und in der Pfanne anbraten, um die Gewürzmischung zu testen. Ein Backblech mit Backpapier bedecken und mit Olivenöl bepinseln. Die Frikadellen mit einem Esslöffel formen und anschließend auf das Backblech legen. Etwa 8-10 Minuten backen, bis die Fleischbällchen durch und fest sind.
Den Kohl halbieren und in 1 cm breite Streifen schneiden. Fenchelknollen in Längsrichtung halbieren und jede Hälfte in drei gleich große Stücke schneiden. Kokosöl in einer Pfanne erhitzen und den Kohl braten, bis er weich ist. Mit Salz und Pfeffer würzen. In einer separaten Pfanne die gesalzenen Fenchelstücke in Olivenöl auf mittlerer Stufe rösten, bis sie auf beiden Seiten karamellisiert sind.
Mit einer Handvoll Blaubeeren dekorieren. Alles zusammen servieren.
Mehr über Hannah Grant
Auf Hannahs eigener Website finden Sie Rezepte (z.B. „Sieger-Brownies“) und eine Vorschau Ihres Tour de France-Kochbuches „Grand Tour Cooking“: http://www.hannahgrantcooking.com/
Hier geht es zu Hannah Grants YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/channel/UCfzMs5JIdimB6by4FAAWo_w
Tipp: Hannah Grants leckere Rezepte können Sie auch über die App von Feast Kitchen auf Ihr Smartphone laden: http://feastkitchen.com/chefs/hannah-grant/